Septimus Heap 06 - Darke
überzeugt. Doch bei den Knoten war sie sich nicht so sicher. Hoffentlich hatten sie keinen Fehler gemacht. Wenn doch nur Nicko hier gewesen wäre. Er kannte sich mit Knoten aus. Bei dem Gedanken an Nicko befiel sie jähe Sorge, doch die verdrängte sie rasch. Wenn sie erst alle in Sicherheit waren, hatte sie noch genug Zeit, sich um Nicko zu sorgen.
»Ich will nur ein letztes Mal Feuerspei rufen«, sagte Septimus und schob so den Augenblick, da er hinausklettern musste, noch einmal auf.
Marcellus blickte nervös zur Tür. Ein langer Strom schwarzen Nebels kringelte sich unter ihr durch und kroch in Richtung Kamin.
»Dazu ist keine Zeit mehr«, sagte der Alchimist. »Warte damit, bis wir unten sind.«
Zitternd ergriff Septimus das Tau. Seine Hände waren klamm, aber er hatte das Tau so rau und dick gemacht, dass es sich gut greifen ließ. Er erklomm den Fenstersims, und als er die Beine hinausschwang, erfasste ihn ein plötzlicher Schwindel – da war nichts, seine Füße hingen haltlos über dem Fluss weit unten.
»Sei vorsichtig, mein Schatz«, sagte Sarah und hob die Stimme, um eine plötzliche Windböe zu übertönen. »Klettere nicht zu schnell – wichtig ist nur, dass du wohlbehalten unten ankommst. Wenn du unten bist, zieh dreimal an dem Tau, dann klettert Jenna los.«
Den Arm um den schlafenden Donner geschlungen, beobachtete Simon, wie sein jüngster Bruder langsam in die Nacht hinausglitt, bis nichts mehr von ihm zu sehen war außer zwei Händen, die das Tau umklammerten, und Locken, die sich im Wind sträubten.
Septimus machte sich an den Abstieg. Er wusste, dass er seine Höhenangst überwinden und konzentriert und zügig nach unten klettern musste, wenn auch die anderen noch Gelegenheit zur Flucht bekommen sollten. Es war nicht leicht. Immer wieder wurde er vom Wind an die Mauer gedrückt und stieß sich so heftig an vorstehenden Steinen, dass ihm die Luft wegblieb und ihm schwarz vor Augen wurde. Erst als er – zu seinem Entsetzen – ein Stück weit am Seil abrutschte und sich fast in einem rechten Winkel zur Wand wiederfand, stellte er fest, dass er vom Wind längst nicht so hin- und hergeschleudert wurde, wenn er sich absichtlich von der Mauer weg nach außen lehnte. Außerdem konnte er dann auf den vielen vorstehenden Steinen fast wie auf Stufen rückwärts nach unten laufen.
Septimus kletterte immer tiefer, bis er mit den Füßen die obersten Zweige des Büschs berührte, der Stanley zur Rettung geworden war. Dass der Halt unter seinen Füßen plötzlich nachgab, versetzte ihn in Panik, und um ein Haar hätte er das Tau losgelassen. Doch als er sich gefasst hatte und wieder zu Atem kam, bemerkte er, dass er den Fluss riechen und das Wasser plätschern hören konnte. Er kletterte schneller, und bald darauf landete er, wie Stanley zuvor, im Schlamm. Er zog dreimal an dem Tau und lehnte sich zitternd gegen die Mauer. Er hatte es geschafft. Dann spürte er, wie sich das Tau in seinen Händen bewegte. Jenna war auf dem Weg nach unten.
Wenig später sprang sie neben ihm zu Boden, außer Atem und wie berauscht. Im Unterschied zu Septimus hatte ihr der aufregende Abstieg Spaß gemacht. Dann schauten sie gemeinsam nach oben zu dem einzigen erleuchteten Fenster der gesamten Anwanden und sahen, wie eine weitere Gestalt herauskletterte. Sie kam schnell herunter, und Septimus staunte, wie behände Marcellus war. Doch als die Gestalt den dornigen Busch erreichte, der aus der Mauer herauswuchs, ertönte ein spitzer Schrei, der ihnen verriet, dass dies Lucy war und nicht Marcellus, wie sie eigentlich vereinbart hatten.
»Er hat mich vorgeschickt«, keuchte Lucy, während sie dreimal an dem Tau ruckte. »Er hat gesagt, dass er schon lange genug gelebt hat. Und er hat gesagt, dass Simon als Nächster hinaussoll.«
»Simon!«, platzte Septimus heraus. »Aber wir brauchen Marcellus.«
Lucy sagte nichts und schaute nach oben. Sie wandte kein Auge von Simon, während er sich flink und zügig am Tau herabhangelte. Bald darauf stand er neben ihnen. Er zog dreimal an dem Tau und spähte nervös zum Fenster hinauf.
»Lange wird die Tür nicht mehr widerstehen«, sagte er. »Sie müssen sich sputen.«
Jenna wurde es zu viel. Sie hatte schon einmal vor einem Zimmer, das sich mit schwarzem Nebel füllte, auf ihre Mutter gewartet, und dieses eine Mal hatte ihr genügt. Der Gedanke, es wieder tun zu müssen, war ihr unerträglich.
»Mom!«, rief sie nach oben. »Mom! Beeil dich! Bitte, beeil dich!«
Aber es kam
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