Septimus Heap 06 - Darke
deinen Arm hinaus.«
Jenna wollte den Arm ausstrecken, aber ihre Hand stieß gegen etwas Festes, das sich anfühlte wie geronnener Schleim. »Igitt!«, rief sie und zog die Hand zurück.
Die Hexenmutter hatte erstaunlich scharfe Ohren. »Marissa?«, drang ihre Stimme argwöhnisch durch die Tür. »Ist da sonst noch jemand bei dir drin?«
»Nur die Prinzessin, Hexenmutter«, rief Marissa zurück und flüsterte Jenna zu: »Mist, der Mantel genügt nicht.«
Jenna sah an dem schwarzen Hexenmantel hinunter, der sie wie die Nacht umfing und sonderbare Empfindungen in ihr weckte. Ihr genügte er voll und ganz. »Wie meinst du das?«, fragte sie.
»Wenn du hier rauswillst, muss ich noch etwas anderes machen.«
Jenna gefiel das gar nicht. »Was denn zum Beispiel?«
Erneut wurde an der Klinke gerüttelt. »Marissa«, rief die Hexenmutter, »ich höre Stimmen. Was tut ihr?«
»Nichts, Hexenmutter. Sie zieht gerade ihre Sachen an. Wir kommen gleich raus«, rief Marissa zurück. Und dann zu Jenna: »Zum Beispiel muss ich eine Hexe aus dir machen.«
»Kommt nicht infrage.«
»Marissa!« Das Rütteln an der Tür wurde zorniger. »Ich habe die Prinzessin gehört. Sie ist nicht mehr stumm. Was geht da vor?«
»Nichts. Ehrlich. Das war ich, Hexenmutter.«
»Lüg mich nicht an, Marissa. Lass mich rein! « Die Hexenmutter rüttelte so heftig an der Tür, dass die Klinke abfiel, über den Fußboden hüpfte und Linda am Kopf traf.
»Autsch ...«, stöhnte Linda.
»Was war das?«, brüllte die Hexenmutter. »Wenn du mich nicht sofort hineinlässt, breche ich die Tür auf, und dann gibt es Ärger!«
Marissa wurde von panischem Schrecken ergriffen. »Ich verschwinde«, sagte sie zu Jenna. »Du kannst ja hierbleiben, viel Glück. Sag nicht, ich hätte es nicht versucht. Wiedersehen!« Damit zog sie sich am Fenster hoch. Sie war halb hinaus, als von der Tür ein lautes Krachen ertönte. Von oben bis unten klaffte ein langer Riss in dem Holz.
»Marissa, warte!«, rief Jenna. »Tu das andere, egal was es ist.«
Marissas Kopf erschien im Fenster. »Gut. Es ist ein bisschen eklig«, sagte sie, »aber es muss sein.« Sie steckte den Kopf herein und gab Jenna einen Kuss. Jenna prallte zurück. »Ich habe doch gesagt, dass es etwas eklig ist«, grinste Marissa. »Jetzt bist du eine Hexe. Aber zum Zirkel gehörst du noch nicht. Dazu müsstest du alle küssen.«
»Nein danke.« Jenna verzog das Gesicht.
Das Geräusch splitternden Holzes war hinter Jenna zu hören, und im nächsten Moment bohrte sich der Eisendorn vom Stiefel der Hexenmutter durch die Tür.
»Zeit zu verschwinden, Hexe«, sagte Marissa und war aus dem Fenster.
Jenna schlüpfte ihr hinterher durchs Fenster und sprang in die Dunkelheit. Sie landete auf einem alten Komposthaufen.
»Lauf!«, zischte Marissa.
Sie rannten durch einen verwilderten Garten mit Brombeergestrüpp, das an ihren Kleidern riss, kletterten über die Mauer und ließen sich in eine finstere Seitengasse hinab. Hinter ihnen schrie wutentbrannt die Hexenmutter, deren massige Gestalt in dem kleinen Fenster stecken geblieben war, und sandte ihnen Zauberflüche nach. Die Flüche jagten im Garten umher, prallten von den Mauern ab und sprangen zur Hexenmutter zurück.
Die beiden Hexen flitzten die dunkle Seitengasse hinauf, den einladenden Lichtern der Gruselgrotte entgegen. Als Jenna unter dem Brüllen des Türmonsters die Tür hinter sich schloss, musste sie grinsen. Mit einem Mal kam ihr die Gruselgrotte so normal vor.
Marcus kam auf sie zu, verzog beim Anblick der beiden Hexen aber keine Miene. Es war nicht ungewöhnlich, dass sich Leute zur Längsten Nacht verkleideten – eben erst hatte er an die Belegschaft des Sandwich-Zauberlands alle Skelettanzüge verkauft, die sie noch auf Lager gehabt hatten.
»Kann ich behilflich sein?«, fragte er.
Jenna schlug die weite Hexenkapuze zurück.
Marcus schluckte. »Prinzessin Jenna, Sie sind gesund und wohlauf! Ihr Freund ... wie heißt er noch gleich ... sucht Sie.«
»Beetle! Ist er hier?«
»Nein. Aber er wird erleichtert sein, dass Ihnen nichts geschehen ist. Er war ganz aufgelöst. Aber es kommt jemand für Sie aus dem Zaubererturm.« Marcus zwinkerte Jenna zu. »Viel Glück.«
Das Türmonster brüllte abermals, und Hildegard stürmte herein. Sie sah Jenna und Marissa erstaunt an.
»Sie sind es also doch!«, stieß sie hervor. Das Suchglas hatte ihr nämlich verraten, dass die fliehende Hexe Jenna sei, doch sie hatte es nicht glauben wollen. Nach
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