Septimus Heap 06 - Darke
Augen.
»Prinzessin Jenna. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Bitte hilf mir. Bitte, bitte.«
Jenna deutete auf ihren Mund, und Marissa verstand. Sie murmelte ein paar Worte und flüsterte: »In Ordnung. Es ist weg.«
Im selben Augenblick sank Lindas Stimme auf ihre normale Tonhöhe zurück, ihr Gemurmel verlangsamte sich, und die Worte wurden wieder auf schauderhafte Weise verständlich:
»Knochen wie Nadeln
und giftige Drüsen
Warzige Haut
und Hände zum Kriechen ...«
Marissa schrie. Sie wusste, dass das Ende sehr, sehr nahe war. »Bitte lass mich los«, keuchte sie.
Jenna probierte ihre Stimme aus. »Mach das an den Füßen weg«, zischte sie.
Marissa brabbelte etwas vor sich hin und zischte: »Es ist weg, es ist weg. Jetzt, bitte, bitte!«
Jenna versuchte vorsichtig, den Fuß ein Stück zurückzusetzen. Es klappte – sie war frei. Sie entließ die Hexe aus dem Schwitzkasten.
Nun wurde es turbulent.
Marissa sprang auf, und Jenna rannte an Linda vorbei zur Tür. Mit geöffnetem Mund stockte Linda mitten im Satz. Marissa stürzte sich auf sie, biss sie, trat sie und schrie. Linda fiel unter der Wucht des Angriffs rückwärts zu Boden und schlug mit dem Kopf so hart auf den Steinplatten auf, dass es knackte.
Jenna war bereits zur Tür hinaus und stürmte den Gang hinunter, als sie am anderen Ende die massige Gestalt der Hexenmutter erblickte, die ihr auf ihren hohen, mit Eisendornen versehenen Schuhen entgegengewankt kam.
»Marissa, bist du das?«, rief die Stimme der Hexenmutter misstrauisch aus dem Dunkel. »Was geht da hinten vor?«
Jenna flitzte in die Spülküche zurück, schlug die Tür zu und lehnte sich dagegen. Marissa saß rittlings auf Linda und versuchte, soweit Jenna das erkennen konnte, die Hexe zu erwürgen. Überrascht schaute sie zu Jenna auf.
»Sie kommt«, stieß Jenna hervor.
Marissa starrte sie verständnislos an. »Wer kommt?«
»Na sie! Die Hexenmutter.«
Marissa erbleichte. Sie hatte angenommen, Linda hätte auf Befehl der Hexenmutter gehandelt, als sie versuchte, sie in eine Kröte zu verwandeln. Sie sprang von Linda herunter – die leise röchelte, sich aber nicht rührte – und deutete auf die Tür, an der Jenna lehnte. Jenna hob abwehrbereit die Fäuste, aber Marissa wollte nicht mit ihr kämpfen. »Schließe und verriegele dich!«, rief sie, und von der Tür her ertönte ein leises, aber entschiedenes Klicken.
»Lange wird sie das nicht aufhalten«, sagte Marissa. »Wir müssen hier raus.« Sie stürzte zu dem einzigen Fenster. Es war hoch über einem Tisch angebracht, auf dem zusammengeknüllt ein schwarzer Mantel lag. Marissa sprang auf den Tisch und öffnete das Fenster. »Das ist der einzige Weg ins Freie. Es geht etwas tief hinab, aber man landet weich. Hier, zieh das an.« Marissa ergriff den schwarzen Mantel und warf ihn Jenna zu. Die aber duckte sich, und der Mantel fiel neben ihr auf den Boden.
Marissa blickte ärgerlich. »Willst du hier raus oder nicht?«, fragte sie.
»Natürlich will ich.«
»Dann zieh das an. Das ist dein Hexenmantel.«
»Wozu denn?«
Marissa stöhnte ungeduldig. »Weil du sonst hier nicht herauskommst. Die Fenster sind für alle Cowan verriegelt.«
»Cowan?«
»Ja, Cowan. Nicht-Hexen. Leute wie dich, dumme Gans.«
Es rüttelte an der Türklinke.
»Marissa?«, kam von draußen die Stimme der Hexenmutter. »Was geht da drinnen vor?«
»Nichts, Hexenmutter. Alles bestens. Bin gleich so weit«, sagte Marissa laut und dann leise zu Jenna: »Zieh ihn an, schnell. Da steckt genug Hexenruch drin, um ein dummes Fenster zu überlisten. Beeil dich!«
Jenna hob den Mantel hoch, als wäre er ein Sack voll Katzendreck.
Wieder wurde an der Klinke gerüttelt, kräftiger diesmal. »Marissa, warum ist die Tür verschlossen?« Die Hexenmutter klang misstrauisch.
»Sie wollte ausbüxen, Hexenmutter. Aber ich habe sie wieder eingefangen. Bin fast fertig!«, trällerte Marissa fröhlich. Und dann flüsterte sie Jenna zu: »Ziehst du ihn jetzt endlich an oder nicht? Ich verschwinde jetzt nämlich.« »Ist ja schon gut«, flüsterte Jenna. Es war ja nur ein Mantel, sagte sie sich. Einen Hexenmantel zu tragen hatte nichts zu bedeuten. Sie zog sich das muffige schwarze Ding über den Kopf, streifte es über ihren eigenen roten Mantel und knöpfte es rasch zu.
»Steht dir«, grinste Marissa. »Komm.« Sie winkte Jenna zu sich auf den Tisch, und Jenna kletterte hinauf. Kalte Nachtluft blies durch das offene Fenster. »Und jetzt streck
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