Septimus Heap 06 - Darke
blickte staunend an dem Sicherheitsvorhang empor. »Ich könnte die erste Wache übernehmen, Madam Marcia«, erbot sie sich.
»Danke, Rose«, erwiderte Marcia. »Aber ich habe bereits Mr. Bott darum ersucht.«
Bertie fuhr sich mit einer schlaffen Hand über die Stirn. »Um ehrlich zu sein, Madam Marcia, ist mir, glaube ich, ein wenig flau«, sagte er.
»Ach ja?«, erwiderte Marcia. »Nun, wenn Rose Ihre Wache übernimmt, ohne etwas zu essen, wird ihr womöglich flau. Dagegen verfügen Sie, Mr. Bott, doch über stattliche ... Reserven.«
Das verhaltene Lächeln, mit dem sie den verlegenen Bertie Bott betrachtete, machte Rose Mut. »Ich würde die Wache wirklich gern übernehmen, Madam Marcia«, sagte sie. »Der Sicherheitsvorhang ist einfach wunderbar. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Marcia ließ sich erweichen. Sie mochte Rose und wollte ihrer Begeisterung keinen Dämpfer verpassen. Und da ihr eigener Lehrling durch Abwesenheit glänzte, wusste sie Begeisterung durchaus zu schätzen. »Na schön, Rose. Aber vorher gehen Sie in den Zaubererturm zurück und essen etwas. Lassen Sie sich mindestens eine Stunde Zeit. Dann können Sie wiederkommen und Mr. Botts Wache übernehmen. Nun, Mr. Bott, wollen Sie sich bei Rose nicht bedanken?«
»Danke, Rose«, sagte Bertie Bott kleinlaut.
Dann sah er den beiden nach, wie sie in Richtung Zaubererallee verschwanden, und seufzte. Er stampfte mit den Füßen, um sich zu wärmen, und als der nächste leichte Schneeschauer vom Fluss heraufkam, zog er den Mantel enger um sich. Es würde eine sehr lange Stunde werden.
* 24 *
24. Palastgespenster
W ä hrend Merrin im Manuskriptorium umherwanderte, Jillie Djinn piesackte und unanständige Wörter auf die Pulte der Schreiber kritzelte, nahmen die Ereignisse, die er in Gang gesetzt hatte, ihren Lauf. Auf dem Dachboden des Palastes entriegelte ein Gespenst die Tür zu einer kleinen, fensterlosen Kammer am Ende von Merrins Flur. »Es ... ist... so weit«, sagte es.
Schmutzig, zerzaust und mit Schmerzen in allen Gliedern durch das Geholtwerden, rappelte sich Simon Heap langsam auf.
»Folge mir«, befahl das Gespenst mit hohler Stimme.
Simon rührte sich nicht.
»Folge mir.«
»Nein«, krächzte Simon, dessen Kehle vor Durst ganz ausgetrocknet war.
Das Gespenst lehnte sich lässig an den Türrahmen und betrachtete Simon mit einem Ausdruck, der eine Mischung aus Belustigung und Langeweile darstellen konnte. »Wenn du mir nicht folgst, wird die Tür verriegelt«, sagte es. »Dann bleibt sie ein Jahr verriegelt. Wenn ein Jahr verstrichen ist, kann sie geöffnet werden, aber nur von deiner Mutter.«
»Meiner Mutter?«
»Sie wird sich ganz bestimmt freuen, dich wiederzusehen.« Das Gespenst gab einen Laut von sich wie ein Huhn, dem der Hals umgedreht wird, aber Simon wusste, dass es ein Lachen auf Gespensterart war. »Obwohl du dann nur noch ein Haufen glibberiger Lumpen auf ihrem Dachboden sein wirst.«
»Auf ihrem Dachboden? Bin ich etwa im Palast?«, fragte Simon, der keinerlei Erinnerung an den Holzauber hatte, den er eben erlebt hatte.
»Ja, du bist im Palast.« Das Gespenst trat rückwärts aus der Tür. »Wenn du jetzt nicht mitkommst, werde ich die Tür zuziehen und mit einem Zauber verriegeln.« Die Tür begann sich zu schließen. Simon stellte sich vor, wie seine Mutter sie irgendwann in der Zukunft öffnete – vielleicht erst in Jahren.
»Warte!« Er flitzte aus der Kammer.
Simon folgte dem Gespenst, das in seinem eigentümlichen, wankenden Gang den Mansardenflur entlangschlurfte und dann dieselbe schmale Treppe hinabstieg, die Jenna und Beetle am Nachmittag hochgestiegen waren. Das Grauen packte ihn. Was würde er unten vorfinden? Waren seine Eltern ebenfalls Gefangene des Gespensts – oder stand es noch schlimmer um sie? Und was war mit Jenna? So viel war klar: Wenn die anderen ihn mit dem Gespenst zusammen sahen, würden sie glauben, er hätte das Ganze angezettelt. Er spürte, wie er von einer Welle seines alten Selbstmitleids überschwemmt wurde, doch er stemmte sich dagegen. Er hatte sich das selbst eingebrockt, sagte er sich streng.
Das Gespenst watschelte erstaunlich schnell durch den breiten Korridor im Obergeschoss, doch Simon hatte das Gefühl, durch Sirup zu waten. Er nahm das als gutes Zeichen. Er hatte sich sagen lassen, dass es sich genau so anfühlte, wenn man durch eine Dunkelzone ging, aber ihm selbst war das nie zuvor aufgefallen.
Im Palast herrschte eine beklemmende Stille. Selbst
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