Septimus Heap 06 - Darke
Kopfschütteln.
»Wir müssen sie finden. Und um sie finden zu können, müssen wir den Palast von dieser ... dieser Plage befreien.« Sir Hereward klang angewidert. »Stimmst du mir zu, Heap?«
Mit einiger Erleichterung nickte Simon. Nicken war nicht ganz so schmerzhaft wie Kopfschütteln.
»Und willst du mir dabei helfen, diese Gespenster loszuwerden?«
Simon nickte so heftig, dass ihm ein Stöhnen entfuhr.
Das Gespenst wirbelte herum. Die Prozession kam zum Stehen, Simons Herz raste. Er legte die Hände an seine gequetschte Kehle, als wollte er die Schmerzen lindern. Das Gespenst funkelte ihn an, drehte sich wieder um und trat in seinem wankenden Gang auf die Galerie über der Treppe.
»Wir brauchen einen Schlachtplan«, sagte Sir Hereward, in Kriegersprache verfallend. »Zuerst müssen wir ...«
Simon bekam keinen von Sir Herewards Plänen zu hören. Das Gespenst war es leid, dass Simon ein Stück weit hinter ihm herzuckelte, und wartete auf ihn. Als er zu ihm aufschloss, packte es ihn an seinem zerrissenen Mantel, zerrte ihn über die Galerie und stieß ihn auf die Treppe. Halb lief, halb fiel Simon die Stufen hinunter in die Eingangshalle, in der ihn vierundzwanzig Gespenster erwarteten.
Sir Hereward stieg ihm vorsichtig hinterher. Von seiner erhöhten Position aus sah er, wie Simon auf dem Weg durch die Halle heftig gekniffen und geknufft und dann zur Palasttür gestoßen wurde. Als der Geist am Fuß der Treppe angelangt war, mischte er sich mit einem gewissen Grauen unter die Menge der Gespenster. Es war keine schöne Erfahrung. Kein Geist hat es gern, wenn er passiert wird, aber von etwas Schwarzmagischem passiert zu werden ist ein wahrhaft schauderhaftes Erlebnis. Sir Hereward war es noch nie widerfahren, doch als er Simon durch die Halle folgte, geschah es ihm mindestens zehnmal. Trotzdem ging er unbeirrt weiter. Er hatte die Aufgabe, die Prinzessin zu schützen, und dazu, so glaubte er, musste er dicht bei Simon bleiben. Denn eines war ihm klar: Wenn jemand die Macht besaß, die Gespenster zu vertreiben und den Palast für die Prinzessin zurückzugewinnen, dann ein lebendiger jungen Mann und kein alter einarmiger Geist. Und ganz davon abgesehen, hatte er etwas gegen Rüpel, die andere tyrannisierten. Bislang hatte er Simon Heap für so einen gehalten, aber jetzt hatte sich das Blatt gewendet.
Simon hatte das Palasttor erreicht. Über der Tür flimmerte eine dünne Schicht lilafarbener Magie, von der die Gespenster respektvoll Abstand hielten.
»Mach die Tür auf«, befahl das Gespenst.
»Untersteh dich!«, sagte Sir Hereward, der mit einem Mal begriff, was hier vorging. »Sonst haben wir sie überall in der Burg!«
Simon hörte nicht auf Sir Hereward – er musste nachdenken. Er starrte das Gespenst mit leerem Blick an, doch in seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Jetzt verstand er, warum er geholt worden war – er sollte die Quarantäne brechen. Ein Dunkelwesen kann niemals eine magische Quarantäne durchbrechen, denn sie ist ein mächtiger Zauber gegen Dunkelmächte. Dazu bedarf es eines Menschen mit Kenntnissen in der schwarzen Magie – und die Gespenster wussten, dass Simon über derartiges Wissen verfügte. Es war allgemein bekannt, dass Gespenster sich Menschen für diese Aufgabe suchten, denn kein Mensch ist durch und durch böse – in jedem schlummert irgendwo noch ein kleiner Rest guter Regungen. Nicht einmal DomDaniel war vollkommen böse gewesen: Der alte Schwarzkünstler hatte einmal eine streunende Katze bei sich aufgenommen und ihr ein Schälchen Milch gegeben – ein Gespenst hätte ihr das Fell abgezogen und sie verspeist.
Die Schar der Gespenster wurde nun ungeduldig. »Aufmachen ... aufmachen ... aufmachen!«, flüsterten sie wie mit einer Stimme.
Simon beschloss, die Tür nicht aufzumachen, ganz gleich, welche Folgen das für ihn haben mochte. Wenn jemand den Palast unter Quarantäne gestellt hatte – und er war sich sicher, dass es Marcia gewesen war –, dann aus einem guten Grund. Höchstwahrscheinlich um das Dunkelfeld zu isolieren und die Burg zu schützen. Er selbst hätte dasselbe getan und die Quarantäne zusätzlich mit einem Kordon verstärkt. Ganz bestimmt hatte sich Marcia noch etwas Besseres einfallen lassen – und das wollte er auf keinen Fall gefährden.
»Nein«, krächzte er. »Ich werde die Tür nicht aufmachen.«
»Gut gesprochen!«, brummte Sir Hereward.
»Mach ... die ... Tür ... auf«, wiederholte das Gespenst, dass ihn halb erwürgt
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