Septimus Heap 06 - Darke
mitnehmen, und sein Gefühl sagte ihm, dass auch Snorri das wollte. Und wenn er darüber nachdachte, was er möglichst vermied, überkam ihn bei der Vorstellung, dass Snorri fortging, ein Gefühl der Freiheit. Doch in dieses Gefühl mischte sich auch Traurigkeit, und seit Lucy aufgeregt vom Heiraten gesprochen hatte, sehnte sich Nicko danach, einfach zur Werft zurückzukehren. Bei Booten wusste man wenigstens, woran man war, dachte er.
Lucy lächelte ihren Bruder an, der versuchte, sich durch die Tür davonzustehlen. Sie wusste genau, was in ihm vorging. Morgen würde sie die Frühfähre nach Port nehmen. Sie konnte es kaum erwarten.
»Hast du auch ganz sicher einen Platz für ein Pferd gebucht?«, fragte sie Rupert, und zwar nicht zum ersten Mal.
Rupert blickte sie ärgerlich an. »Ja, Lucy, hab ich dir doch gesagt. Die Frühfähre hat zwei Pferdeboxen, und eine bekommt Donner. Ganz bestimmt. Hat Maggie versprochen.«
»Maggie?«, fragte seine Mutter und schaute, hellhörig geworden, von ihrer Socke auf.
»Die Skipperin, Mutter«, antwortete Rupert kurz angebunden.
Mrs. Gringe war nicht entgangen, dass Ruperts Gesicht ein leuchtendes Rot angenommen hatte, das sich mit seiner karottenfarbenen Igelfrisur biss.
»Ach, sie ist Skipperin?« Mrs. Gringe zupfte an einem Knoten, fest entschlossen, ihn aufzubekommen. »Komischer Beruf für eine junge Frau.«
Rupert kannte seine Mutter zu gut, um auf den Köder anzubeißen. Er überging ihre Bemerkung und setzte das Gespräch mit Lucy fort. »Komm morgen früh zur Bootswerft, Lucy. So gegen sechs. Wir ... ich meine, ich werde dir helfen, Donner zu verladen, bevor die Passagiere eintreffen.«
Lucy lächelte ihren Bruder an. »Danke, Rupert. Entschuldige, ich bin im Moment etwas kribbelig.«
»Das sind wir alle«, sagte Rupert. Er drückte seine Schwester, und sie drückte ihn. Sie hatte Rupert nicht oft gesehen in diesen Tagen, und er fehlte ihr.
Nachdem Rupert gegangen war, spürte Lucy, dass die Augen ihrer Eltern auf ihr ruhten. Es war kein angenehmes Gefühl. »Ich sehe mal nach Donner«, sagte sie. »Ich glaube, ich habe ihn gerade wiehern hören.«
»Mach nicht zu lange«, erwiderte ihre Mutter. »Das Abendessen ist gleich fertig. Schade, dass dein Bruder nicht zum Essen bleiben konnte«, schniefte sie. »Es gibt Eintopf.«
»Hab ich mir fast gedacht«, grummelte Lucy.
»Wie bitte?«
»Nichts, Mom. Bin gleich wieder da.«
Lucy stieg die Holztreppe hinunter und stieß die alte, verwitterte Tür auf, die auf den Weg zur Zugbrücke führte. Sie nahm ein paar tiefe Atemzüge der rauchfreien Schneeluft und ging zu dem alten Stall hinter dem Torhaus, in dem Donner stand. Sie öffnete die Tür, und der Rappe, angestrahlt von der Lampe, die sie in das kleine, hohe Fenster gestellt hatte, sah sie an. Das Weiße in seinen Augen schimmerte. Er scharrte im Stroh, schüttelte die dunkle, schwere Mähne und wieherte unruhig.
Lucy verstand nichts von Pferden und wurde aus Donner nicht recht schlau. Sie hatte ihn gern, weil Simon ihn liebte, aber sie war auch vor ihm auf der Hut. Es waren seine Hufe, die ihr Respekt einflößten. Sie waren groß und schwer, und Lucy war sich nie ganz sicher, was er mit ihnen anstellen würde. Selbst Simon vermied es, sich hinter den Rappen zu stellen, weil er fürchtete, dass er ausschlagen könnte.
Sie näherte sich Donner vorsichtig und streichelte ihm sanft über die Nase. »Dummes altes Pferd, bist den ganzen weiten Weg zu mir gekommen. Simon ist bestimmt sehr traurig, weil du fort bist. Wie er sich freuen wird, dich wiederzusehen, du dummes, altes Pferd ...«
Plötzlich sah Lucy ganz deutlich im Geiste vor sich, wie sie mit Donner von der Porter Fähre ritt und Simon ihr dabei zusah, erstaunt, dass sie das konnte. Sie wusste, dass es möglich war. Sie hatte schon tollkühne junge Männer gesehen, die mit ihren Pferden von Bord über die Rampe getrabt waren, statt sie am Zügel zu führen. So schwer konnte das doch nicht sein. Man musste nur den Laufsteg für die Passagiere hinauf, und für einen Reiter war das eigentlich nicht weit. Dann konnte Simon übernehmen, und sie konnten zusammen zurückreiten. Das würde großen Spaß machen.
Ihrem Tagtraum nachhängend, beschloss Lucy auszuprobieren, wie leicht es tatsächlich war, Donner zu besteigen. Alles andere als leicht, befand Lucy, als sie das Pferd betrachtete. Es war so viel größer als sie, und sein Rücken auf gleicher Höhe mit ihrem Kopf. Wie stieg man auf ein Pferd? Ach
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