Septimus Heap - Fyre
Material Marcellus nur als dunkles Licht beschreiben konnte, das sich unablässig bewegte und verschob, sodass keine klaren Umrisse zu erkennen waren. Und unter den Mänteln schauten schillernde grüne Rüstungen hervor, die aus verschiedenen Segmenten bestanden wie der Panzer eines Rieseninsekts. Ähnlich zwei Passagieren auf einem Schiff, die sich den Sonnenuntergang anschauten, starrten die beiden Gestalten in den leuchtenden Feuerring hinunter.
Wieder erlebte Marcellus einen Zeitsprung. Einen Sprung zurück in die Zeit, wenige Wochen vor der Großen Alchimie-Katastrophe, als Julius Pike, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen, einmal einen fremden Zauberer mitgebracht hatte, um ihm das Feuer zu zeigen. Marcellus hatte damals ziemlich genau an derselben Stelle gestanden wie jetzt, als er die beiden entdeckte. Und das Gefühl, jetzt dasselbe noch einmal zu erleben, war so stark, dass er nahe daran war, Julius, was fällt dir ein? z u rufen, so wie er es damals getan hatte. Doch plötzlich trat eine der beiden Gestalten zurück, und Marcellus sah das grüne Leuchten ihres Gesichts und den versengenden Blick ihrer grünen Augen.
Marcellus wurde jäh in die Gegenwart zurückgeholt.
Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht an das Böse geglaubt. In seinem langen Leben waren ihm viele Formen von Schlechtigkeit begegnet: Lügen, Heimtücke, Gewalt und schlichte Bosheit, und Marcellus war der Erste, der zugeben würde, dass auch er sich der einen oder anderen Missetat schuldig gemacht hatte. Aber im Begriff des »Bösen« an sich lag ein Unterton von Übernatürlichem, den Marcellus bisher nur schwer hatte akzeptieren können. Das war nun anders. Er spürte die Gegenwart des Bösen. Und er wusste auch, warum – am Kessel standen die Ringzauberer.
Marcellus sank zu Boden, und dann saß er auf der schmutzigen Erde und versuchte zu ergründen, was geschehen war. Alle möglichen schrecklichen Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er begrub das Gesicht in den Händen. Das war das Ende. Alles, wofür er gearbeitet hatte, war verloren. Er sackte verzweifelt in sich zusammen, und da tippte ihm etwas auf den Kopf.
Wie er es schaffte, nicht zu schreien, war ihm selbst ein Rätsel. Vielleicht, so überlegte er später, hatte er die sanfte, leicht entschuldigende Berührung erkannt. Doch aus welchem Grund auch immer, jedenfalls sprang Marcellus auf, drehte sich um – und vor ihm stand Duglius Trommling.
* 40 *
DIE HÜTER
Der vergoldete Rumpf schimmerte in der Sonne, und die mächtigen lederartigen Schwingen knarrten leise von der ungewohnten Anstrengung, als das Drachenboot mit hoch erhobenem Kopf und ruhigen Flügelschlägen über den Fluss und dann über die Obstgärten der unteren Ackerlande flog, die späte Apfelblüten rosa färbten. Ihm folgte ein kleinerer, grünerer und schlankerer Drache, der, um mit dem Boot mitzuhalten, so schnell fliegen musste, wie er nur konnte.
»Feuerspei«, schrie Septimus, »ab mit dir nach Hause.«
Ohne die Ruderpinne loszulassen, blickte Septimus an dem großen, schuppigen Schwanz des Drachenboots und seiner goldenen Spitze vorbei zu seinem Drachen, der ihnen folgte wie ein treuer Hund.
»Kommt Feuerspei auch mit?«, fragte Nicko.
»Nein«, antwortete Septimus.
»Wie es aussieht, ist er da aber anderer Meinung«, bemerkte Nicko.
Septimus wurde sauer. »Feuerspei! Ab mit dir nach Hause!«, brüllte er wieder.
Aber Feuerspei schien ihn nicht zu hören – auch wenn Septimus vom Gegenteil überzeugt war. Sein Drache hatte diesen selbstgefälligen Blick, den er immer bekam, wenn er wusste, dass er seinem Herrn ein Schnippchen geschlagen hatte.
»Mist«, schimpfte Septimus. »Er kann auf keinen Fall mitkommen. Das hält er nicht durch.«
Jenna hatte Feuerspei noch gar nicht bemerkt. Sie saß im Bug des Drachenboots, blickte zurück auf die Burg – ein perfekter goldener Kreis, umringt von Blau und Grün – und versuchte, das ungute Gefühl abzuschütteln, dass sie die Burg zu einer Zeit verließ, in der sie dort gebraucht wurde.
Septimus fing ihren Blick auf und lächelte ihr aufmunternd zu. Er dachte an ihren letzten gemeinsamen Flug, bei dem sie von Simon verfolgt worden waren. Wie sehr sich doch alles verändert hatte – und doch nicht völlig. Der Ring mit dem Doppelgesicht war das letzte Glied der schwarzmagischen Kette, die zu DomDaniel zurückführte, und Septimus war entschlossen, ihn zu zerstören. Jenna erwiderte sein Lächeln und lehnte sich gegen den Hals der
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