Septimus Heap - Fyre
Übung.«
»Nein?«
»Nein. Der Kasten ist nicht gelb, sondern rot.«
Lucy sprang auf. »Was ist passiert?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber ich muss sofort Marcellus warnen. Er ist bestimmt völlig ahnungslos.«
Lucy war entsetzt. »Nein, Simon.«
»Keine Angst. Ich kann gut auf mich aufpassen, das weißt du doch.«
Lucy seufzte. Ein Blick auf Simon verriet ihr, dass sie ihn nicht aufhalten konnte. »Simon, sei vorsichtig.«
Er zog einen schweren goldenen Sicherheits-Charm aus der Tasche – den stärksten, den er besaß, und reichte ihn Lucy. »Behalte den die ganze Zeit über bei dir. Außerdem werde ich das Haus mit einem Sperrzauber belegen, wenn ich gehe. Ich liebe dich.« Er gab ihr einen schnellen Kuss und eilte davon, bevor sie noch versuchen konnte, ihn umzustimmen.
Marcellus war nicht von einer lästigen Larm gestört worden. Hoch konzentriert ging er seiner momentanen Tätigkeit nach. Nun, da das Feuer in voller Stärke brannte, befürchtete er, dass der Kessel ein neues Leck bekommen könnte, und so hatte er damit begonnen, zusätzlich zu den regelmäßigen Klopfkontrollen auch Sichtinspektionen durchzuführen. Früher hatten ihm die Trommlinge diese Arbeit abgenommen. Wie Eidechsen auf einem heißen Stein waren sie um den Kessel herumgewuselt. Ihren scharfen Augen war nicht die kleinste Kleinigkeit entgangen, und ihre mit Saugnäpfen versehenen Finger und Zehen hatten sie an jede gewünschte Stelle getragen. Aber Marcellus musste es auf die langsamere Menschenart machen – mithilfe einer Brille, einer Leiter und einer Feuerkugel.
Heute Morgen hatte Marcellus auf die Leiter verzichtet, da er die Unterseite des Kessels inspizierte. Die Brille fest auf die Nase geklemmt, schaute er zu dem Lichtkegel auf, den die Feuerkugel auf die glatte Oberfläche des Eisenkessels warf. Plötzlich stach ihm etwas ins Auge – ein kleiner heller runder Fleck, von dem strahlenförmig Risse ausgingen, die alle fachmännisch geflickt waren. Durch seine Lupe nahm er die Stelle genauer in Augenschein. Er schmunzelte. Das war eine typische Trommling-Arbeit: ein kleiner Eisenpropf und darum herum ein Ring aus Messinglot, das im Licht rötlich schimmerte. Marcellus strich mit den Fingern darüber, spürte aber keine Unebenheit – die Stelle war glatt geschliffen und verschmolz perfekt mit dem dunkleren Metall des Kessels. Ein schönes Stück Handwerkskunst. Dennoch war Marcellus verwirrt. Er betrachtete noch einmal das kleine, gestopfte Loch in der Mitte. Was wohl die Ursache dafür gewesen sein mochte? Es sah fast wie ein Einschussloch aus. Und dann ging Marcellus ein Licht auf: Das war der Schaden, der die große Alchimie-Katastrophe ausgelöst hatte! Diese plötzliche Gewissheit raubte ihm den Atem, und tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf, ohne Hoffnung auf Antworten. Was würde er jetzt darum geben, wenn er den alten Duglius Trommling fragen könnte, was damals geschehen war. Tiefe Trauer überkam ihn, und er lehnte sich gegen die Felswand. Wie einsam er sich ohne die Trommlinge fühlte.
Plötzlich vernahm Marcellus das Scheppern der unteren Feuerluke, dann schwere Schritte auf der obersten Plattform, die eindeutig von zwei Fußpaaren herrührten. Marcellus war kein besonders feinfühliger Mensch, aber in seiner Feuerkammer waren seine Sinne geschärft. Und jetzt riet ihm sein Instinkt, in Deckung zu gehen. Er wich in den Schatten unter dem Kessel zurück. Wer mochte das da oben sein? Er konnte sich vorstellen, dass Simon in einem besonderen Notfall Septimus mitbrachte. Oder sogar Marcia. Aber die Schritte klangen nicht nach Simon oder Septimus – und schon gar nicht nach Marcia. Marcellus ertappte sich dabei, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben regelrecht wünschte, das Klackern von Marcia Overstrands spitzen Pythonschuhen zu hören. Dann musste seine Lage wirklich verzweifelt sein, sagte er sich.
Er hörte das protestierende Quietschen der Leiter, als die Eindringlinge sich an den Abstieg machten. Mehrere Minuten lang, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, lauschte er den näher kommenden Schritten, bis ihm ein Klappern verriet, dass die Eindringlinge die Beobachtungsstation erreicht hatten.
Er beschloss, einen kurzen Blick zu wagen. Lautlos schlüpfte er unter dem schützenden Kessel hervor und spähte nach oben. Er kam sich vor wie in einem Albtraum – etwa zehn Meter über ihm standen, sich dunkel gegen das rote Licht abhebend, zwei unglaublich große Gestalten. Sie trugen Mäntel, deren
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