Septimus Heap - Fyre
Drachin. Ihr goldenes Diadem glänzte im Sonnenschein, ihre langen dunklen Haare wehten im Wind. Und mit einem Mal hatte Septimus das Gefühl, dass er diesen Augenblick immer in Erinnerung behalten würde.
Nicko hingegen verspürte wenig Neigung, diesen Augenblick in Erinnerung zu behalten. Ihm war schlecht, und das war ihm peinlich. Er konnte es nicht fassen – eigentlich wurde er nie seekrank. Aber dieses ständige Auf und Ab des Drachenboots versetzte seinen Magen in Aufruhr und war mit der angenehmen Bewegung von Wellen überhaupt nicht zu vergleichen. Er blickte über die Reling, konzentrierte sich auf die Miniaturwelt, die weit unten vorbeizog, und hoffte, dass seine Übelkeit davon vergehen würde. Bald entdeckte er die dünne silberne Linie des Deppen-Ditch und dahinter die diesige grüne Fläche der Marram-Marschen, gesprenkelt mit kleinen runden Inseln, die aus dem Dunst herausragten.
Jenna ging übers Deck zu Septimus.
»Sep, weißt du … Onkel Edmund und Onkel Ernold …«
»Ja«, erwiderte Septimus leise.
»Weißt du noch, wie Tante Zelda Merrin gerettet hat, als er verbraucht worden war?«
»Hätte sie es doch bleiben lassen«, knurrte Nicko.
»Ja … also, vielleicht könnte sie dasselbe mit ihnen tun.«
»Vielleicht.« Septimus schaute auf die Marschen hinab. Irgendwo in dem Dunst lag Tante Zeldas Insel – aber wo?
»Das Drachenboot kann Tante Zelda finden«, sagte Jenna. »Es würde nicht lange dauern. Und es ist für die Onkel die einzige Chance.«
»Du hast recht«, erwiderte Septimus und schielte nach hinten zu Feuerspei. »Außerdem muss ich noch ein Päckchen loswerden. Ein großes grünes.«
Wolfsjunge stand neben einem großen, mit zähem Schlamm gefüllten Loch und versuchte, den Boggart dazu zu überreden, etwas Marschkraut zu sammeln.
»Am Tag geh ich nich mehr für Marschkraut«, brummelte der Boggart gerade. »Nich mehr. Wenn de Wert drauf legst, kannste ja um Mitternacht noch mal kommen und fragen.«
»Aber um Mitternacht bist du doch nie da«, erwiderte Wolfsjunge.
»Doch.«
»Aber nicht, wenn ich dich besuchen will … he !«
»Kein Grund, so zu brüllen«, beschwerte sich der Boggart – aber da war keiner mehr.
Wolfsjunge rannte zur Hütte zurück und schrie: »Zelda! Zelda! Das Drachenboot – das Drachenboot kommt!«
Tante Zelda erschien in der Tür, rot im Gesicht vom Kochen – Aaleintopf mit frisch gefangenen Wabberwanzen. Sprachlos sah sie zu, wie das Drachenboot und sein treuer Begleiter im Tiefflug die Insel überquerten, zwei Schleifen drehten und dann herabschossen, um auf dem Mott zu landen – dem breiten Marschkanal, der die Hütte umschloss.
Tante Zelda war so fassungslos, dass sie nur den Kopf schütteln konnte, als das Drachenboot auf dem Mott aufsetzte und das schlammige Wasser in gewaltigen Fontänen in die Luft schoss. Als Tante Zelda sich ein paar Spritzer aus den Augen gewischt hatte, sah sie, wie ihr schönes Drachenboot die Flügel einklappte, und ihr war, als wäre es nie fort gewesen. Dann blitzte etwas Rotes vor dem goldenen Rumpf auf, und sie erkannte Jenna, die von Bord sprang und über den Fußpfad auf sie zugelaufen kam.
»Tante Zelda!«, rief Jenna.
»Hmm?«, machte Tante Zelda, noch wie erstarrt vom Anblick des Drachenboots.
»Tante Zelda«, sagte Jenna in eindringlichem Ton und ergriff ihre leicht klebrigen Hände. »Bitte, hör mir zu. Bitte. Es ist wichtig.«
Tante Zelda reagierte nicht.
»Lass ihr einen Augenblick Zeit«, griff Wolfsjunge ein. »Sie hat einen Schock.«
Jenna wartete ungeduldig, während Tante Zelda mit Tränen in den Augen das Drachenboot anstarrte. Dann plötzlich schüttelte Tante Zelda den Kopf, wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab und sah Jenna an. »Ja, mein Liebes?«
Sofort begann Jenna, ihre Geschichte zu erzählen, bevor Tante Zeldas Aufmerksamkeit sich wieder auf etwas anderes richten würde. Sie beschränkte sich auf das Nötigste und kam bald zum Schluss. »Verstehst du jetzt, Tante Zelda. Deine Neffen Ernold und Edmund brauchen dringend deine Hilfe.«
Tante Zelda schwieg.
Wolfsjunge half ihr auf die Sprünge. »Du wirst deine hausgemachten Radikaltropfen brauchen und deine Notsalbe und dein verbessertes Vita-Volt. Nicht wahr, Zelda?«
Tante Zelda seufzte.
Jenna war der Verzweiflung nahe. Da sah Tante Zelda sie plötzlich mit diesem vertrauten verständnisvollen Blick an, den die Prinzessin so sehr vermisst hatte. »Jenna, mein Liebes. Mein Gedächtnis verlässt mich. Meine
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