Septimus Heap - Fyre
blieb er stehen, um den Augenblick auszukosten. Er wandte sich um und blickte auf den schönen, verschneiten Hof mit seinem frisch geräumten Weg, der sich vom Großen Bogen zum Fuß der Treppe schlängelte. Hinter der hohen Hofmauer war gerade noch das schneebedeckte Dach des Manuskriptoriums zu sehen, aus dem die Rauchsäule aus dem Ofen im neuen Aufenthaltsraum der Schreiber träge in den Himmel stieg. Beetle war unsagbar glücklich – und nach seiner Begegnung mit Jenna nur ein ganz klein wenig aus dem Gleichgewicht.
Er verbannte Jenna aus seinen Gedanken, drehte sich wieder um und blickte auf die große silberne Flügeltür, die vor ihm emporragte. Heute Morgen sah der Zaubererturm besonders eindrucksvoll aus. Er war in ein bläulich-silbern schimmerndes Licht getaucht, über das zarte lila Blitze hinweghuschten. Beetle konnte es kaum fassen, dass er hier stand. Gleich würde er zum allerersten Mal das Losungswort des Zaubererturms aussprechen – und die magische Tür würde sich nur für ihn öffnen. Er lächelte und genoss den Augenblick noch etwas länger.
»Das Losungswort vergessen, Obermagieschreiber?«, fragte eine fröhliche Stimme hinter ihm.
»Nein, ich …«
Silas Heap hüpfte die Stufen herauf, das strohblonde Lockenhaar so zerzaust wie immer, mit einem Lächeln in den grünen Augen. Silas mochte Beetle. »Wenn Sie gestatten«, sagte Silas, und bevor Beetle etwas einwenden konnte, schwang lautlos die Flügeltür vor ihm auf. Silas fasste ihn am Arm und schob ihn über die Schwelle.
Die Worte WILLKOMMEN, OBERMAGIESCHREIBER nahmen zu Beetles Füßen Gestalt an. Und dann leuchtete WILLKOMMEN, SILAS HEAP auf und verblasste sogleich wieder.
»Siegelwache«, sagte Silas zur Erklärung. »Bin etwas spät dran, aber Sie wissen ja, was sie in so einem Fall sagen.«
Beetle probierte es mit Raten. »Sie kommen zu spät? Haben Sie eine Ahnung, wie spät es ist? Wo um alles in der Welt haben Sie gesteckt?«
Silas sah ihn verdutzt an. »Nein: Besser spät als nie.«
Beetle blickte Silas Heap nach, wie er die Große Halle in Richtung Siegelkammer durchquerte, und hörte dann, wie einer der Zaubererwächter ihn fragte: »Silas Heap – wo um alles in der Welt haben Sie gesteckt?«
Schmunzelnd steuerte Beetle auf die silberne Wendeltreppe zu. Er hatte einen Termin im zwanzigsten Stock.
Marcia öffnete ihm die Tür und ließ ihn eintreten. Zum allerersten Mal begegnete Beetle dem Geist seiner ehemaligen Vorgesetzten Jillie Djinn. Marcia legte ihm warnend die Hand auf die Schulter.
»Gehen Sie langsam durch das Zimmer. Damit sie keinen Schreck bekommt.«
Jillie Djinn starrte Beetle an, bemerkte, dass er die Amtsrobe des Obermagieschreibers trug, blickte auf die Robe, die sie selbst anhatte, und dann wieder zu Beetle. Ein verwirrter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht wie ein Nebel, während sie zusah, wie Beetle behutsam, fast entschuldigend das Zimmer durchquerte. Er hatte beinahe die gegenüberliegende Tür erreicht, als er gegen einen kleinen Tisch stieß und Marcias Sammlung zerbrechlicher Zaubertöpfe zum Wackeln brachte. In diesem Augenblick begriff Jillie Djinn, die ehemalige Obermagieschreiberin, dass sie tot war. Sie öffnete den Mund, und tief aus ihrem Innern drang ein lautes, kummervolles Heulen: »Oooooooooooooooooooo …«
Das nicht mehr enden wollte. Marcia schob Beetle zur Tür. Sie war blass und, wie Beetle erst jetzt auffiel, ziemlich feucht. Ihr dunkles Haar glänzte vor Nässe und hing zottelig auf ihre Schultern herab. Doch bevor er fragen konnte, was geschehen war, bugsierte sie ihn in ihr Studierzimmer und schloss die Tür, um das verzweifelte Heulen auszusperren. Auf einem kleinen Stuhl vor dem Schreibtisch saß Marcellus Pye. Er wirkte auf Beetle ein wenig angespannt.
Und das war er auch. Marcellus hatte Septimus gerade auf einen Botengang geschickt und dessen Abwesenheit dazu nutzen wollen, nach dem Feuerkessel zu sehen. Die Zeit drängte.
»Danke, dass Sie so kurzfristig kommen konnten, Beetle«, sagte Marcia.
»Er ist nicht der Einzige, der so kurzfristig kommen musste«, bemerkte Marcellus gereizt.
»Aber im Unterschied zu Ihnen hat sich das Beetle nicht selbst zuzuschreiben, Marcellus«, entgegnete Marcia und fügte, ohne den Blick von dem Alchimisten zu wenden, hinzu: »Beetle, wären Sie so gut, Mr. Pye die Kühlanlage zu zeigen.«
Nicht das kleinste Muskelzucken verriet, dass Marcellus wusste, wovon Marcia sprach. Seine zur Schau getragene Miene – siebzig Prozent
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