Septimus Heap - Fyre
rief Jenna verzweifelt. »Wir haben das Tripel verloren, also können wir das Drachenboot nicht wiederbeleben.« Sie fragte sich, ob ihr Marcellus überhaupt zugehört hatte.
»Viele Wege führen zum Ziel«, erklärte Marcellus.
Jenna riss die Geduld. Zornig fuhr sie in die Höhe und stieß dabei den alten Eichenstuhl zurück, sodass er über den Steinboden schrappte. »Hören Sie auf, in Rätseln zu sprechen, Marcellus«, herrschte sie ihn an.
Marcellus streckte den Arm aus und hinderte sie am Gehen. »Verzeihen Sie meine unklare Ausdrucksweise, Prinzessin. Ich wollte damit sagen, dass es mehr als eine Möglichkeit gibt, einen Drachen wiederzubeleben.« Er legte Jenna einen Arm um die Schulter. »Zauberei bringt uns jetzt nicht weiter, darum werde ich Ihnen ein Mittel der Heilkunst zeigen.«
Jannit Maarten saß in ihrer schneebedeckten Hütte auf der Bootswerft und kochte gerade ihr Lieblingsgericht, Bohneneintopf mit Würstchen, als zu ihrem Schrecken der neue Burgalchimist draußen vorbeiging, gefolgt von der Prinzessin, dem Außergewöhnlichen Lehrling und von – oh nein, dachte sie, als sie durch das kleine, schneebestäubte Fenster plötzlich nur noch Grün sah– diesem verflixten Drachen. Einen Seemannsfluch ausstoßend, sprang sie auf.
Während der großen Kälte überwinterte Jannit stets wie eine Schildkröte in ihrer Hütte. Sie freute sich immer auf die friedvolle Ruhe, die mit dem ersten Schnee einkehrte. Dann schickte sie ihre Lehrlinge und Arbeiter nach Hause und wartete gut gelaunt auf den Tag, an dem der Burggraben zufror und nicht einmal die Porter Fähre noch die Beschaulichkeit der Werft stören konnte. Das übrige Jahr arbeitete Jannit Tag und Nacht, aß und schlief auf ihrer Werft und träumte sogar von ihr, aber die große Kälte, das war ihr Urlaub. Seit sie älter geworden war, freute sie sich so sehr darauf, dass sie unlängst erwogen hatte, den Zugang durch den Tunnel zu sperren, damit kein Burgbewohner sie mehr belästigen konnte. Und als sie nun drei Amtsträger in Begleitung eines täppischen Drachen an ihrem Fenster vorbeimarschieren sah, bereute sie, dass sie das nicht sofort getan hatte.
Es folgte ein scharfes Klopfen an ihrer Tür, und einen Moment lang spielte Jannit mit dem Gedanken, so zu tun, als wäre sie nicht da. Vielleicht gingen sie dann wieder. Aber die Vorstellung, dass sie womöglich unbeaufsichtigt auf ihrer Werft herumschnüffelten und der täppische Drache gar auf den empfindlichen Außenhäuten der umgedrehten Boote herumtrampelte, veranlasste sie, die Tür zu öffnen. »Was gibt’s?«, knurrte sie.
Der neue Burgalchimist übernahm das Reden. »Guten Tag, gnädigste Frau Maarten, ich …«
Jannit explodierte. »Ich bin keine Gnädigste, Alchimist.« Aus dem Munde Jannits, die Alchimie verabscheute, klang »Alchimist« wie ein Schimpfwort. »Ich heiße Jannit Maarten, und auf Jannit Maarten reagiere ich.«
»Ah ja. Dann bitte ich um Vergebung, Jannit Maarten. Nun … äh …«
Jannit, die fast einen Kopf kleiner war als Marcellus, verschränkte die Arme und blickte mit streitlustig funkelnden Augen zu dem Alchimisten hinauf. »Was wollen Sie?«
Marcellus musterte die kleine, drahtige Frau, die in einer dicken blauschwarzen Seemannsjacke aus Wolle steckte, die ihr viel zu groß war und fast bis zum Boden reichte. Sie war offensichtlich nicht zum Spaßen aufgelegt. Ihr eisengraues Haar war zu einem Seemannszopf geflochten, der sich vor Unmut zu sträuben schien, und jede Falte in ihrem windgegerbten Gesicht verriet, wie ungehalten sie über sein Erscheinen war. Marcellus holte tief Luft. Er wusste: Was er zu sagen hatte, würde keine freundliche Aufnahme finden.
»Wir sind hier, um das Drachenhaus zu öffnen«, erklärte er. »Ich bitte um Entschuldigung, wenn wir Ihnen damit Ungelegenheiten bereiten.«
Jannit blickte ihn entgeistert an. »Sie wollen was?«
Nun schaltete sich Jenna ein. »Es tut mir wirklich leid, Jannit«, sagte sie. »Aber ich glaube, dass das Drachenboot im Sterben liegt. Deshalb müssen wir ins Drachenhaus. Wir müssen versuchen, es zu retten.«
Jannit mochte Jenna, denn sie erinnerte sie daran, wie sie selbst als Mädchen gewesen war: selbstbewusst und zupackend. So wie Mädchen in ihren Augen sein sollten.
»Das ist ja schrecklich, Prinzessin. Natürlich müssen Sie da das Drachenhaus öffnen, obwohl ich nicht weiß, wie Sie das anstellen wollen. Ist Ihnen bekannt, dass es keinen Eingang mehr gibt – nur noch eine massive
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