Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Fledermausjunge ist im Garten umhergestreift. Ich habe Sorge, dass –«
»Moment mal«, unterbrach mich Orma. »Gestern hast du es mir übel genommen, dass ich dich nicht gegrüßt habe, und heute fällst du selbst Hals über Kopf mit der Tür ins Haus. Ich finde, du solltest dich bedanken, dass ich Guten Abend gesagt habe.«
Ich lachte. »Danke. Aber hör zu: Ich habe ein Problem.«
»Das scheint mir auch so«, sagte er. »In fünf Minuten kommt mein nächster Schüler. Lässt sich dein Problem in fünf Minuten lösen?«
»Das bezweifle ich.« Ich überlegte. »Darf ich zu dir ins Konservatorium kommen? Es ist ohnehin nicht gut, die Sache am Spinett zu besprechen.«
»Ganz wie du möchtest«, sagte er. »Aber gib mir mindestens eine Stunde Zeit. Dieser spezielle Schüler ist besonders unfähig.«
Als ich meine Sachen anzog, fielen mir die Flecken auf meinem Umhang auf. Basinds Drachenblut war längst eingetrocknet, aber es glänzte immer noch silbern. Ich schüttelte den Umhang aus, ein Regen feinen Silberstaubs rieselte zu Boden. Ich klopfte so viel von dem Blutfleck ab wie möglich und kippte den silbernen Abfall in den Kamin.
Ich nahm die Königsallee, die sich in weiten, majestätischen Kurven den Hügel hinunterwand. Auf der Straße war es finster und still, nur die schmale Mondsichel spendete Licht, dazu die erleuchteten Fenster und hin und wieder eine vorzeitig angezündete Spekulus-Laterne. Unten am Fluss roch es nach Rauch, Essen mit Knoblauch und dann auch sehr streng nach einem Plumpsklo im Hinterhof. Oder waren es Innereien, die von einer nahe gelegenen Metzgerei stammten?
Plötzlich trat aus dem Schatten eine Gestalt vor mir auf die Straße. Ich blieb wie angewurzelt stehen, mein Herz schlug mir bis zum Hals. Die Gestalt kam auf mich zugewatschelt und der eklige Geruch wurde stärker. Der Gestank brachte mich zum Husten. Ich griff nach dem kleinen Messer, das ich in meinem Mantelsaum verborgen hatte.
Die Kreatur streckte mir die linke Hand hin, wie um mich anzuflehen. Dann hob sie eine zweite Hand und zischte: Zsslu-zsslu-zssluuu ? Um den schnabelartigen Mund züngelte eine blaue Flamme und erhellte einen Moment lang die Gesichtszüge: glatte, schuppige Haut, ein stacheliger Scheitel wie bei einem Ziziba-Leguan, hervorstehende Augen, die sich unabhängig voneinander bewegten.
Ich atmete auf. Zum Glück war es nur ein bettelnder Quigutl.
Die Quigutl waren eine andere Drachenart, viel kleiner als die Saar. Dieser hier war etwa so groß wie ich, was für einen Quig ziemlich groß war. Die Spezies war nicht in der Lage, eine andere Gestalt anzunehmen. Quigs lebten zusammen mit den Saar in den Bergen, sie hausten in den Felsspalten und Klüften der großen Drachenhöhlen, ernährten sich von Abfall, und mit ihren vier Händen fertigten sie komplizierte, winzig kleine Dinge wie zum Beispiel die Ohrringe, die alle Saarantrai trugen. Aus Höflichkeit hatte man die Quigs in den Vertrag von Comonot mit aufgenommen; niemand hatte vorausgesehen, dass so viele von ihnen in den Süden kommen oder dass sie die Winkel und Mauerrisse – und den Müll – in der Stadt so reizvoll finden würden.
Quigs sprachen kein Goreddi, sie hatten keine Lippen und ihre Zunge war wie ein ausgehöhltes Schilfrohr. Ich hingegen verstand Quigutl, es war nichts anderes als Mootya, nur mit einem ausgeprägten Lispeln. Das Wesen hatte zu mir gesagt: » Riechssst du etwa nach Geld, Maidken ?«
»Du solltest nicht betteln, wenn es dunkel ist«, schimpfte ich. »Was hast du überhaupt außerhalb von Quighole zu suchen? Hier auf den Straßen bist du nicht sicher. Einer deiner Saar-Brüder wurde gestern angegriffen, am helllichten Tag.«
»Ja, ich hab allesss von der Dachrinne am Lagerhausss gesssehen.« Er streckte seine röhrenförmige Zunge zwischen den Zähnen hervor und die Funken regneten auf seinen fleckigen Bauch. » Du riechssst gut, aber du bissst kein Sssaar. Ich bin überraschhht, dassss du mich verstehssst .«
»Ich bin sehr sprachbegabt«, erwiderte ich. Von Orma wusste ich, dass meine Schuppen nach Saar rochen, wenn auch nicht sehr stark. Er behauptete, ein Saarantras müsse ganz dicht an mich heran, um es zu riechen. Hatten die Quigutl womöglich empfindlichere Nasen?
Der Quig kroch näher und beschnüffelte den getrockneten Blutfleck an meiner Schulter.
Der Atem des Quig stank so ekelerregend, dass ich nicht verstand, wie er überhaupt etwas Feineres riechen konnte. Mir war es noch nie gelungen, Saar zu
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