Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
geschmückt waren, umrahmten ihr Gesicht. Sie sprach Flederchen , der mit untergeschlagenen Beinen auf dem mittleren Bett saß und zur Decke starrte, in Porphyrisch an. Er schreckte hoch, weil er so unvermittelt aus seinen Gedanken gerissen wurde. Sie zog entschuldigend die Augenbrauen hoch und machte Handbewegungen wie jemand, der etwas isst. Er schüttelte nur den Kopf und sie schloss lautlos die Tür hinter sich.
Flederchen stand auf und seine Füße versanken in der klumpigen Strohmatratze. Er trug Hosen, wie sie in Porphyrien Sitte waren, dazu eine knielange Tunika. Um seinen Hals hing an einer Schnur ein Paedis-Amulett, außerdem trug er kleine silberne Ohrringe. Er fuhr langsam mit den Händen durch die Luft, so als wollte er Spinnweben über seinem Kopf entfernen. Der Strohsack federte nicht besonders gut, aber Flederchen sprang so hoch er konnte, und beim dritten Versuch berührte er die Zimmerdecke.
Noch nie zuvor in meinen Visionen hatte jemand meine Anwesenheit bemerkt. Wie denn auch? Ich war ja nicht wirklich da. Er hätte mein Gesicht gar nicht berühren können, denn es war kein Gesicht da, trotzdem versuchte ich unwillkürlich, seiner tastenden Hand auszuweichen.
Er runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf. Seine Haare waren kunstvoll zu kleinen Knoten gedreht, zwischen denen saubere kleine Sechsecke entstanden waren. Er setzte sich wieder und starrte, die Augenbrauen wachsam zusammengezogen, an die Decke. Wenn es nicht schlichtweg unmöglich gewesen wäre, hätte ich schwören können, dass er mich direkt ansah.
Als ich zu mir kam, hatte ich einen nach Salz schmeckenden Lederhandschuh zwischen den Zähnen. Ich schlug die Augen auf und erblickte eine Frau, die meinen Kopf und Oberkörper auf den Knien wiegte. In der Hand hielt sie Gebetsperlen, die sie flink mit dem Daumen hin und her schob. Ihre Lippen bewegten sich schnell und ohne Pause. Ich verstand ihre Worte nicht sofort, doch dann hörte ich, wie sie sagte: »Sankt Fustian und Sankt Branche, bittet für sie. Sankt Ninnian und Sankt Nunn, steht ihr bei. Sankt Abaster und Sankt Vitt, beschützt sie …«
Mit einem Ruck setzte ich mich aufrecht hin und nahm den Handschuh aus dem Mund. Die Frau erschrak. »Verzeihung«, krächzte ich, ehe mein Mageninhalt auf den Pflastersteinen landete.
Die Frau hielt meine Stirn und gab mir ein blütenweißes Taschentuch, damit ich mir den Mund abwischen konnte. Sie rief: »Brüder! Sie ist wieder zu sich gekommen!«
Ihre Brüder, der Kleine und der Große, kamen aus dem Stall und führten ein Gespann mit einem Wagen heraus, auf dessen Seite mit schwarzer Farbe die Aufschrift »Gebrüder Broadwick – Tuchhändler« geschrieben stand. Die drei wickelten mich in eine hübsche Wolldecke und legten mich auf den Wagen.
Die Frau, bei der es sich vermutlich um die Schwester handelte, von der der Kleine gesprochen hatte, schwang ihren matronenhaften Leib neben mich und fragte: »Wohin sollen wir dich bringen, Kindchen?«
»Ins Schloss Orison«, bat ich. Bis zu Orma würde ich es heute Abend nicht schaffen.
Viel zu spät fiel mir ein, noch rasch ein höfliches »Bitte« hinzuzufügen.
Sie lachte freundlich und sagte es ihren Brüdern weiter, die mich garantiert gehört hatten. Der Wagen schwankte und schaukelte. Sie fasste meinen Arm und fragte mich, ob mir kalt sei. Ich verneinte. Den Rest des Weges gab sie mir gute Ratschläge, wie ich die Flecken auf meiner Kleidung entfernen könne, die ich mir auf der schmutzigen Straße zugezogen hatte.
Es dauerte fast die ganze Fahrt, bis sich mein Pulsschlag beruhigt hatte und meine Zähne nicht mehr klapperten. Ich konnte mein Glück kaum fassen, dass ich vor Menschen zusammengebrochen war, die mir halfen. Ebenso gut könnte ich jetzt ausgeplündert und halb tot auf der Straße liegen.
Louisa schnatterte immer noch, aber nicht mehr über Flecken. »… diese entsetzliche Kreatur! Du Arme. Bestimmt hast du dich halb zu Tode geängstigt. Silas und Thomas sind am Überlegen, wie man diese grünen Teufel vergiften könnte. Vielleicht etwas, das man im Müll versteckt, damit sie es nicht merken. Aber es ist nicht einfach. Denn sie vertragen fast alles, nicht wahr, Silas?«
»Von Milch werden sie krank«, sagte der kleinere der beiden Brüder, der die Zügel in der Hand hielt. »Aber sie sterben nicht davon. Käse vertragen sie gut, also muss es an der Molke liegen. Wenn wir die Molke verdicken …«
»Das werden sie nicht anrühren.« Weil ich mich so heftig
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