Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)
Eimer sehen.« Ich stieg vom Stuhl und betrachtete die Vorrichtung von einem anderen Blickwinkel aus. »Ihr solltet daher die Aufmerksamkeit Eures Opfers auf etwas anderes lenken. Wie wäre es, wenn Ihr Euch in Sichtweite hinsetzt und Euer Instrument spielt?«
Sie schnitt eine Grimasse. »Lieber nicht.«
»Wo ist es denn eigentlich?« Womöglich hatte ich uns soeben selbst hier in der Falle eingesperrt.
Sie zögerte mit der Antwort, aber dann schob sie einen Wandteppich ein Stück zur Seite und gab den Blick auf eine Tür frei. Wortlos ging sie in das Nebenzimmer. Nach kurzem Zaudern folgte ich ihr. Die Tapetentür führte in einen viel größeren Salon mit hohen Fenstern und Stühlen, die zu kleinen Plaudergrüppchen zusammengestellt waren.
Vor den Fenstern stand ein abgedecktes Cembalo.
»Ist das Euer Instrument?«, fragte ich.
Sie schnaubte, ein ungewohnter Laut von einem so hochwohlgeborenen jungen Mädchen. »Nein, es gehört Viridius. Aber ich darf es nicht anfassen. Er hat mir immer noch nicht verziehen, dass ich Frösche hineingestopft habe.« Als ich sie verständnislos ansah, sagte sie erklärend: »Es herrscht Krieg , Serafina.«
Sie drehte sich um und stolzierte zurück zum Fenster.
Langsam graute mir bei der Vorstellung, die Stelle bei Hofe anzunehmen. Zugleich fand ich es beschämend, dass womöglich bei dieser letzten Probe meine Angst den Ausschlag geben würde und nicht meine musikalischen Fähigkeiten.
Ich holte tief Luft und zog die Abdeckung vom Cembalo.
Bei dem Geräusch drehte die Prinzessin sich um und hob die Augenbrauen. Ich setzte mich ans Cembalo und meine Finger begrüßten die Tasten in freudiger Erwartung.
»Welches Instrument hat Virdidius für Euch ausgesucht?«, fragte ich. »Den Dulcimer?«
»Woher weißt du das?«
»Das ist das passende Instrument für feine junge Damen«, sagte ich und gab mich ganz einem Lauf von Akkorden hin. »Auch wenn es in der Tat einen komischen Namen hat. Ein Dulcimer ist ein Instrument, bei dem sich Geduld ziemt.«
»Ganz meine Meinung! Genau das habe ich ihm auch gesagt!«, rief sie. »Aber der alte Tyrann hat mich nur angeblafft, dass es am leichtesten zu erlernen wäre für jemanden, der unmusikalisch ist wie eine gekochte Wurzelrübe.«
Autsch. Ganz offensichtlich feuerten beide gegnerische Seiten aus allen Kanonenrohren.
Glisselda durchquerte den Salon und baute sich mit verschränkten Armen vor mir auf. Ihr elfenhaftes Gesicht verfinsterte sich. »Ich weiß, worauf du hinauswillst, und ich sage dir, es klappt nicht.«
Ich blickte von den Tasten hoch. »Es tut mir leid, aber –«
»Du bist genauso wie die anderen«, rief sie. »Wie Großmama und meine Mutter, einfach alle. Musik dient dazu, mir Disziplin beizubringen, sagen sie! Der langweilige Dulcimer wird mich sanfter machen und zurückhaltender und gelassener!«
Ich legte die Hände auf die Knie und blickte ihr ins Gesicht. »Interessiert Euch Musik denn gar nicht?«
»Kein bisschen«, stieß sie hervor.
Ich versuchte zu lächeln, aber mein Herz machte einen enttäuschten Satz. »Wofür interessiert Ihr Euch denn?«
Noch ehe sie ihren rosigen Mund aufmachte, hatte ich aus allen möglichen Antworten bereits drei ausgewählt: Kleider, Bälle oder Jungen, eines davon würde es sein. Ich überlegte schon, wie ich die Antworten nutzen konnte, um davon auf die Vorzüge der Musik überzuleiten – bei Kleidern würde es schwer werden -, daher überhörte ich ihre Antwort. »Wie bitte?«, fragte ich etwas töricht nach.
Sie funkelte mich bitterböse an, wiederholte jedoch ihre Antwort. »Staatskunst.«
Unsere Blicke trafen sich. Prinzessin Glisseldas Mund war ein schmaler Strich, ihre Finger traktierten eine Perle an ihrem Mieder. Ich spürte, dass sie mir damit ein schimmerndes Stückchen Wahrheit anvertraut hatte und nun abwartete, was ich damit anfangen würde.
Staatskunst. Staatskunst .
»Wisst Ihr«, sagte ich langsam, damit meine Gedanken sich zu vernünftigen Worten formen konnten. »Musik ist nicht ganz so unwichtig für die Staatskunst, wie Ihr vielleicht glaubt.«
Sie verdrehte theatralisch die Augen.
Ich achtete nicht darauf, sondern redete weiter. »Nein, wirklich. In der Musik geht es um Harmonie. Darum, wie Spannung aufgelöst wird und ein Gleichgewicht entsteht. Und dabei spreche ich nur von den einzelnen Noten. Da ist auch noch die Art, wie man seinem Instrument begegnet. Jeder Diplomat könnte stolz sein, der seinem Gegenüber so aufmerksam lauscht wie der
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