Serafinas später Sieg
Triumph erfüllte: »Sie meinen, Angelo hat gespart – im Sinne des Wortes?«
Thomas zuckte mit den Schultern. »Es könnte auch sein, daß er schlecht beraten wurde, oder er versteht einfach nichts vom Schiffbau.«
»Sie kennen Angelo nicht«, sagte Serafina. »Er läßt sich nicht beraten, er hat sich immer nur auf sein eigenes Urteil verlassen. Und was Ihre zweite Vermutung betrifft: Es mag sein, daß er früher nichts vom Schiffbau verstand, aber bevor er die Fiametta baute, hat er sich mit Sicherheit das notwendige Wissen angeeignet. »Nein«, sie verschränkte die Arme, »Angelo hatte ganz offensichtlich nur noch genügend Geld, um das zu tun, worauf er den größten Wert legt: Den Schein zu wahren.«
»Ich bin zu demselben Schluß gelangt«, nickte Thomas. »Der äußere Schein ist lebenswichtig für ihn: Wenn der Eindruck entstünde, daß es mit der Firma Guardi bergab ginge, würden die Geldgeber – und die Kunden – sofort abspringen. Darum das Haus – und darum das Schiff.«
Jetzt lächelte sie. Es war ein kleines böses Lächeln. Sie wußte jetzt, was sie zu tun hatte. Sie würde nach Marseille reisen. Serafina schenkte Wein nach, stand auf, hob ihr Glas und brachte einen Toast aus. »Auf die Vernichtung unseres gemeinsamen Feindes.« Sie stieß mit Thomas an. Sie hatte sich vorgenommen, sich alles zurückzuholen, und sie würde sich niemals mit weniger zufriedengeben. Sie war jetzt eine reiche Frau, eine erfolgreiche Frau, Mutter eines wohlgeratenen Sohnes, Eigentümerin dreier Häuser und Besitzerin eines Schiffes – doch das genügte ihr nicht. Sie wollte wiederhaben, was ihr gestohlen worden war – ihr Heim, ihre Firma, ihren Namen. Sie schloß die Augen und sah Angelo vor sich – so deutlich wie in ihren Träumen. Nur kniete er diesmal vor ihr, mit gesenktem Kopf, in der Pose eines reuigen Sünders. Eines Bittstellers. Sie wünschte, Thomas würde sich zurückziehen, damit sie ungestört nachdenken und planen könnte. Ja – sie würde nach Marseille, in ihre schöne Geburtsstadt, zurückkehren. Seit ihrem elften Lebensjahr hatte sie nur ein Ziel vor Augen gehabt: die Leitung der Firma ihres Vaters. Um es zu erreichen, würde sie alles wagen, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgehen könnte.
»Sie brauchen die Ladung nicht zu löschen«, sagte sie. »Nehmen Sie die Waren aus dem Lagerhaus noch dazu. Wir segeln in den nächsten vierzehn Tagen nach Frankreich.« Sie stand neben Jacopos altem, zerkratztem Schreibtisch. Sie hatte vorgehabt, ihn durch einen neuen zu ersetzen, doch das erübrigte sich jetzt – wenn alles gutginge. Dann würde sie wieder in dem Haus wohnen, das sie als einziges als das ihre betrachtete, in dem Land, das ihre Heimat war. Die Zimmer, die Möbel, der Name, den sie als Kind getragen hatte – alles würde wieder ihr gehören. Sie würde Angelo wiedersehen, und sie würde den Zeitpunkt, den Ort und den Verlauf des Gesprächs bestimmen.
Ihr Herz klopfte schnell, ihre Gedanken eilten ihrer Zunge weit voraus. »Auf dem Weg werden wir in Genua anlegen. Ich habe vor, im August in Marseille zu sein.« Sie blickte zu Thomas auf – in der Erwartung, in seinen Augen die gleiche Erregung zu sehen, die sie erfüllte. Doch es stand keine Vorfreude darin, keine Ungeduld – nur Mißtrauen und Vorbehalt. Er sagte nur ein Wort: »Wir?«
»Ja – ich werde natürlich mit Ihnen fahren.«
Er starrte sie an, als habe sie etwas Ungeheuerliches gesagt.
Aufgebracht fuhr sie ihn an: »Sind Sie auch wie die anderen Männer, Thomas? Meinen Sie auch, ich sollte mich auf Haushalt und Kinder beschränken? Sie müßten mich inzwischen gut genug kennen, um zu wissen, daß das für mich nicht in Frage kommt. Selbstverständlich werde ich Sie begleiten.«
»Und was wird aus Francesco?« fragte er.
Sie ging zur Tür und öffnete sie, um das Zimmer zu verlassen. »Ich habe Francesco weggegeben.«
Thomas war mit zwei großen Schritten bei ihr und blockierte mit einem Arm den Weg nach draußen. »Was soll das heißen? Wo haben Sie ihn hingegeben? Und wann?« Sein Gesicht war ganz dicht vor dem ihren. Empörung glühte in seinen Augen. Wut stieg in Serafina auf – darüber, daß er sich in eine Angelegenheit einmischte, die sie als ihre alleinige betrachtete, und darüber, daß er es wagte, sie daran zu hindern, sich in ihrem eigenen Haus frei zu bewegen. »Es geht Sie zwar nicht das geringste an«, sagte sie eisig, »aber ich werde Ihnen trotzdem antworten: Ich habe Francesco aufs Land
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