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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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auf Sie geworfen.«
    Wer zahlt, hat das Sagen, dachte Angelo, als er das Zimmer verließ. So hatte er es auch stets gehandhabt.
    Von Pisa nach Marseille waren es zweihundertfünfzig Meilen – zweihundertfünfzig Meilen um den Golf von Genua herum, an der Côte d'Azur entlang und an den Iles d'Hyères vorbei in den Golf von Lion. Doch bevor die Kingfisher zu dieser Reise aufbrach, hatten ihre Eigentümerin und der Kapitän noch etwas anderes vor: Einen Ritt ins Landesinnere nach Umbrien, wo Meere aus reifenden Ähren wogten, die von Klatschmohn und Kornblumen gesäumt waren.
    Francesco war gesund, die Amme, dank der großzügigen Bezahlung, überschwenglich freundlich. Sie blieben nicht lange – die Zeit drängte. Bereits nach einer Stunde waren sie wieder unterwegs. Als sie in einem Wäldchen anhielten, um sich mit einem Schluck Wasser zu erfrischen, lagen sie sich plötzlich in den Armen und sanken auf ein Bett aus kleinen blauen Blumen nieder, die den Boden bedeckten. Als sie danach aufstanden und ihre Kleider ordneten, entdeckte Serafina, daß zerdrückte blaue Blüten an ihrem Rock klebten. Die körperliche Entspannung, die Thomas ihr beschert hatte, half ihr, den Kummer darüber, daß sie ihren Sohn nicht mitnehmen konnte, leichter zu ertragen.
    Zwei Tage später setzten sie Segel. Die Kingfisher hatte Kurzwaren, Samt, Taft und gold- und silberdurchwirkte Seiden geladen. Es war sehr warm, und die Seeleute mußten all ihr Können anwenden, um die schwache Brise so zu nutzen, daß das Schiff Fahrt machte.
    Bilder flackerten durch Serafinas Kopf, als sie auf das Meer hinausschaute. Sie war zehn Jahre alt und stand, in ein schwarzes Samtkleid gezwängt, auf dem Achterdeck der Gabrielle. Auch damals war es heiß gewesen, und das Sonnenlicht hatte sie schmerzhaft geblendet. Sie schützte die Augen mit der Hand und blickte zur Stadt hinüber, bis die Kirchtürme und Häuser von Pisa zu einer undeutlichen Silhouette verschwammen. Wieder einmal hatte sie die Sicherheit eines Heims verlassen und sich der Unsicherheit eines Schiffes ausgeliefert. Nur an den weiß hervortretenden Knöcheln ihrer Hände, mit denen sie die Reling umklammerte, und an dem scharfen Ton, in dem sie ihre Zofe Luisa anfuhr, die ebenso wie vor vielen Jahren die arme Mathilde an Seekrankheit litt, war ihre Angst zu erkennen. Sie beneidete Thomas darum, daß er beschäftigt war. Er hatte seine Karten und Instrumente, mußte dem Rudergänger Anweisungen geben und den Bootsmann überwachen. Sie hatte keine andere Aufgabe, als dafür zu sorgen, daß sie nicht im Weg stand. Wenn Sie nachts in ihrer Koje lag und sich einsam fühlte, hatte Thomas die Sterne, in denen er lesen, und Kameraden, mit denen er sich unterhalten konnte. Sie hatte nur die vier Holzwände der Kabine, die sie mit der bedauernswerten Luisa teilte.
    Und so suchte sie den Kontakt zu den Seeleuten und ließ sich von ihnen das Schiff erklären. Wenn Thomas nachts Zeit erübrigen konnte, führte er sie in die Sternenkunde ein, und die geheimnisvollen Lichter begannen sich für. sie zu einem Muster zu ordnen.
    Tagsüber, wenn sie außer Sichtweite der Küste segelten, war es unmöglich zu erkennen, wo der Himmel aufhörte und das Meer anfing – leuchtend blau ging eines in das andere über. Nach drei Tagen erreichten sie ihr erstes Ziel. Die verträumte Ruhe eines Mittsommerabends lag über der Kingfisher . Serafina stand noch an Deck, sie zögerte den Augenblick, da sie sich wieder mit der von Übelkeit geplagten Luisa in die enge Kabine begeben müßte, so lange wie möglich hinaus. Plötzlich sah sie einen Stern, wo kein Stern sein konnte, und stieß einen überraschten Ruf aus.
    »Das ist die Laterna, Signora Capriani – der Leuchtturm von Genua.« William Williams war neben sie getreten. Er überragte sie um mehr als Haupteslänge. Seit seiner Bekanntschaft mit Maria, der Tochter der Kurtisane Constanza, war er noch ruhiger und sanfter geworden.
    Der Anblick des Leuchtturms fegte jegliche Trägheit hinweg. Thomas rief dem Rudergänger und dem Bootsmann Befehle zu, wobei er den Kurs für die Einfahrt in den Hafen dank seiner zwölfjährigen Erfahrung präzise festlegte. Die Szenerie wurde von der Laterna, den Lampen an den Hauswänden und dem Licht erhellt, das aus den offenen Fenstern und Türen der Tavernen fiel. An der Mole drängten sich Fischerboote, Barks, große Galeassen und Galeeren. Die Genueser Galeeren waren fünfundsiebzig Schritt lang und wurden von je vierhundert

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