Serafinas später Sieg
arbeitete.
»Haben Sie das Bankett genossen?« Es war weniger eine Frage als eine Feststellung, und Angelo antwortete pflichtschuldigst: »Sehr, Signor. Es war ein prächtiges Fest.«
»Ja, ziemlich.« Lorenzo schüttelte die Ärmel seines pelzbesetzten Gewandes zurück. »Und auch nützlich. Ich vermute, daß mindestens die Hälfte der Geschäfte von Florenz bei solchen Gelegenheiten abgeschlossen wird.« Lorenzo Nadi war groß, hatte einen Stiernacken und einen kahlen Schädel. Sein Erscheinungsbild paßte zu seiner Machtposition. Zweihundert Seidenweber, -färber und -rauher arbeiteten für ihn. Doch er war auch Bankier, und diese Profession entsprach seinem Wesen bei weitem mehr als der Seidenhandel. Im Gegensatz zu Angelo, den dies schon fasziniert hatte, als er noch in Franco Guardis Lagerhäusern arbeitete, erregte Lorenzo die Tatsache, Glied einer Kette zu sein, die sich von China bis zu den Städten im Norden erstreckte, nicht im mindesten. Ihn versetzte nur Geld in Erregung. Dukaten, Ecus, Florins, Silberreals – sie waren seine Welt.
Lorenzos Tragödie war, daß er zwei Töchter hatte. Töchter hatten keinen Nutzen – sie kosteten. Zu allem Übel beanspruchte der Herzog der Toskana auch noch den siebten Teil jeder Mitgift, aber ohne Enkel wären die Häuser in Florenz und Umbrien, die Werkstätten und die Bank verloren. Der gesamte Besitz würde an einen zwielichtigen und ungeliebten Kusin zweiten Grades in Neapel fallen.
»Wenden wir uns anderen Dingen zu.« Lorenzo streute Sand auf den Brief, der vor ihm lag, und schüttete den Überschuß in die Dose zurück. »Mein Geschäft ist in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen, so beträchtlich, daß mir Florenz allmählich zu klein wird. Ich habe die Absicht, mich nach anderen Märkten umzusehen.«
Angelo atmete tief durch. Seine Chance war gekommen! »Die Guardis«, sagte er, »treiben nun schon seit fünfzig Jahren Handel mit den Städten im Norden. In ihren besten Zeiten nutzten wir die Tuchmärkte von Lyon – jetzt gehen wir weiter nördlich. Im letzten Jahr kamen wir bis nach Paris. Dort bekommt man Stoffe aus London, Antwerpen und Amsterdam, und es heißt, daß auch bald Pelze aus Rußland feilgeboten werden.« Angelos Mund war trocken, seine Zunge drohte am Gaumen klebenzubleiben. Er, der gewöhnlich kaum Alkohol trank, lechzte jetzt geradezu nach einem Glas Wein.
Doch er hatte sich umsonst gesorgt, Lorenzo Nadi nickte zustimmend. »Pelze, Weißwäsche und Wollstoffe – mit diesen Waren habe ich bisher nicht gehandelt, aber man muß das Angebot fächern, um sich im Wettbewerb behaupten zu können.«
Diese Erkenntnis hatte Angelo veranlaßt, sein Sortiment in den vergangenen schwierigen Jahren zu erweitern – und er hatte Handelsmöglichkeiten gefunden, die Signor Nadi nicht einmal in Erwägung gezogen hätte. Die Geschäfte mit Zinn hatten sich beispielweise als erfreulich profitabel erwiesen – bis zu seiner letzten Reise, der Jungfernfahrt der Fiametta. Dabei sah die Sache anfangs wie ein Kinderspiel aus. Angelo hatte von einem Bekannten, einem Kaufmann aus Pisa namens Tomaso di Credi, erfahren, daß ein englisches Schiff, die Garland , Zinn von Livorno in die Levante bringen werde. Das traf zwar zu – aber er verlor drei Männer und wäre beinahe mit den Türken aneinandergeraten. Aber vielleicht würde er Hamid jetzt nicht mehr brauchen, und vielleicht könnte er sich außerdem die Zeit nehmen, sich an der Garland zu rächen. Die Schiffe der Levant Company wurden im Mittelmeer ohnehin ein immer größeres Ärgernis, es wäre nur recht und billig, der Gesellschaft ein wenig die Flügel zu stutzen.
»Ein großes Angebot ist für den Handel ebenso lebenswichtig wie das geeignete Transportmittel. Mit meinem Schiff, der Fiametta «, Angelo lächelte, »kann ich Rohseide und die besten persischen Stoffe in der Levante kaufen – zu günstigsten Preisen. Mit der Fiametta kann ich Handel treiben von Rußland bis Scanderoon.«
Der Gedanke, ein Handelsnetz fast über die gesamte bekannte Welt zu spannen, reizte Angelo in höchstem Maße, Lorenzo Nadi offenbar auch, glaubte Angelo, als er die Vorfreude auf neue Geldquellen in den Augen des Mannes leuchten sah, dessen Schwiegersohn er zu werden trachtete.
»Sie haben ein Schiff und Verbindungen«, sagte Lorenzo. »Was brauchen Sie noch?« Was er meinte, aber nicht sagte, war: Warum wollen Sie meine Tochter heiraten? Schweiß lief Angelos Nacken hinunter, doch seine Miene blieb gelassen:
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