Serafinas später Sieg
Sklaven gerudert. Als die Kingfisher anlegte, sah Serafina im Fackelschein die Gesichter der Leute, die ihre Ankunft beobachteten: Neid und Bewunderung waren darin zu lesen.
Am nächsten Tag verließ Serafina das Schiff, um Kaufleute aufzusuchen. Die kopfsteingepflasterten Straßen schienen unter ihren Füßen zu schwanken, die prächtige Via Aurelia wirkte nach der Weite des Meeres geradezu beengend auf sie – aber wenigstens hatte sie in dieser Stadt, die unter spanischer Herrschaft stand, eine Aufgabe. Serafina stellte sich, dank ihres Witwenstandes des Respekts sicher, mit Thomas Marlowe als Bevollmächtigtem an ihrer Seite Jacopos' Geschäftsfreunden und Kunden vor, umschmeichelte sie, schacherte mit ihnen und schloß Geschäfte ab. Sie kaufte kostbare Stoffe und verkaufte Bänder, Kokarden und Halbedelsteine, und einmal sogar Antilopentränen – mit beträchtlichem Gewinn –, nachdem sie dem Interessenten mit ernster Miene erklärt hatte, Antilopentränen seien gut gegen Schlangenbisse, wobei sie es sorgfältig vermied, Thomas' Blick zu begegnen.
An den Abenden nahm sie an Banketten, festlichen Essen und Maskenbällen teil. Sie schlug keine Einladung aus, klagte mit den Damen über die Hitze und verhandelte mit den Herren über Ripsbänder, Bombasin oder Pannesamt. Sie lernte die besten Familien Genuas kennen: die Fregosis, die Adornis, die Dorias. Sie schlenderte durch herrliche Gärten und sprach über Dukaten, Florins und Ecus, über Zinssätze und Transportprobleme. Die Herren vergötterten die geschäftstüchtige, reiche junge Witwe, brachten ihr Wein und Süßigkeiten, schickten ihr Blumenbouquets und parfümierte Taschentücher. Sie hätten sie auch hofiert, wenn sie unansehlich gewesen wäre, doch sie erkannte an dem Leuchten in ihren Augen, daß sie sie durchaus nicht als unansehlich betrachteten. Sie akzeptierte mit angemessener Freude Geschenke auf mondbeschienenen Terrassen und in prachtvollen Sälen, aber immer war Thomas da und bot ihr den Arm, wenn sie sich schließlich zum Gehen entschloß. Sie schliefen nie im selben Bett, waren kaum je allein. Serafina steckte Galeazzo Merlis boshaftes Possenspiel noch zu sehr in den Knochen, als daß sie es riskiert hätte, erneut ins Gerede zu kommen, doch manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie versonnen Thomas' muskulöse braungebrannte Unterarme betrachtete oder die breiten Schultern, die das elegante Seidenwams zu sprengen drohten.
Sie verließen Genua nach zwei Wochen. Ein Großteil der Seidenwaren, die sie in Neapel erstanden hatten, war verkauft, und der freigewordene Laderaum mit feinsten Genueser Stoffen aufgefüllt worden. Die kostbaren Gewebe schimmerten in allen Farben wie Regenbogen und glitten durch die Finger wie das Wasser eines murmelnden Baches. Eines Tages, dachte Serafina, als sie aus der stickigen Düsternis des Laderaums zum Deck hinaufstieg, würde sie selbst solche Stoffe herstellen. Capriani-Stoffe würden ebenso hoch im Wert angesetzt werden wie die venezianischen und genuesischen.
Um die Mittagszeit war Genua schon längst außer Sicht, und sie segelten an der ligurischen Küste entlang. Das schmale, Seehandel treibende Königreich Savoyen schimmerte lavendel- und indigofarben durch den Dunst. Die Kingfisher machte dank der Geschicklichkeit der Matrosen trotz der nur schwachen Brise gute Fahrt. Kajiks und Barks, Fischer- und Ruderboote, Galeeren und Galeassen – die Schiffe wirkten wie bunte Herbstblätter auf einem Dorfteich. Die kleineren Schiffe legten selbst in den winzigsten Häfen an, um Handel zu treiben: ein Faß Fische gegen einen Laib Käse, einen Korb Orangen gegen eine Bahn Segeltuch … Hochseeschiffe wie die Kingfisher warfen zumeist in einer Bucht Anker und schickten, wenn Aussicht auf Geschäfte bestand, ein beladenes Beiboot in den nächsten Hafen.
Als Serafina am dritten Tag der Reise aus der Kabine aufs Vordeck kam, erschien ihr ihr leichtes Kleid so warm wie ein Wollmantel. Thomas stand, den unvermeidlichen Filzhut auf dem Kopf, auf der Brücke. Die weiten Ärmel seines Hemdes flatterten im Wind. Er starrte über die Galionsfigur, die blau und golden im Sonnenschein glänzte, aufs Meer hinaus. Serafina trat neben ihn und folgte seinem Blick: In weiter Ferne glitzerte ein Schiff in der Sonne. Sie ahnte den Namen, bevor Thomas ihn aussprach. Die erholsame Ruhe der letzten Wochen nahm damit ein abruptes Ende. Der Frieden war nur eine Illusion gewesen, dort draußen lauerte der Feind. Trotz der Hitze
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