Serafinas später Sieg
in ihren Händen zitterte.
Thomas erkannte, daß er das Ausmaß ihrer Skrupellosigkeit und bösartigen Intelligenz noch immer nicht begriffen hatte. »Und?« fragte er. »Sie sehen nicht so aus, als wäre ihr Besuch erfolgreich verlaufen.«
Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. »Angelo eröffnete mir, daß er bereits jemanden gefunden habe, an den er sich verkaufen könne: Er wird heiraten.«
Thomas ließ pfeifend den Atem entweichen. Er wollte zu ihr gehen, den Ozean überqueren, der sie trennte, und sie in die Arme nehmen, doch er wußte, daß sie ihn zurückstoßen würde. Sie hatte ihm zwar ein paarmal gestattet, sich ihr körperlich zu nähern, aber sie würde keine Gefühle dulden. Sie schätzte seinen Ehrgeiz, sein Können und sein Wissen, aber sie liebte ihn nicht, würde ihn niemals lieben, solange sie die Fesseln der Vergangenheit nicht abstreifte.
»Eine Florentinerin«, fuhr Serafina fort. Ihr Blick glitt durch den Raum und dann zu dem sonnenbeschienenen Meer hinaus, das sich leuchtend blau bis zum Horizont erstreckte. »Ihr Vater ist Bankier und Seidenhersteller. Angelo hat ein Schiff, umfangreiche Kontakte und kennt die Handelsrouten – Signor Nadi hat Kapital und Webereien. Sie ergänzen einander ausgezeichnet.« Jetzt lag Bitterkeit in ihrer Stimme. Wenigstens zeigte sie endlich wieder ein Gefühl. Erleichtert sah Thomas, daß ihre Hände zu zittern aufgehört hatten und ein rosiger Hauch die wächserne Blässe ihrer Wangen milderte. Serafina suchte und fand Thomas' Blick und sagte: »Angelos Braut ist neunzehn Jahre alt und als älteste Tochter die Erbin ihres Vaters. Sie hat keine Brüder. Ihr Name ist Fiametta Nadi.« Fiametta ! Das goldene Schiff!
»Er hat sein Schiff nach ihr benannt. Welche Frau, sagte er, könnte einem Mann widerstehen, der ihr eine so prachtvolle Galeone widmet?« Er hörte den Schmerz in ihrer Stimme – und noch etwas: Neid. »Ich hätte es mir denken sollen«, meinte sie leise. »Es war zu erwarten, daß er heiraten würde, und natürlich ein reiches Mädchen aus gutem Hause. Angelo wirkte schon immer sehr auf Frauen.«
Serafinas Augen waren rot vor Müdigkeit – nicht von Tränen. Thomas hatte sie kaum jemals weinen gesehen. Es schmerzte ihn, daß er keine Möglichkeit hatte, sie zu trösten. Sie hatte ihre Fassung wiedergewonnen, doch er spürte die Verzweiflung hinter der Fassade.
»Angelo hat vor, in die Levante zu segeln«, fuhr Serafina fort. »Wenn die Reise ein Erfolg wird, werden er und Fiametta sich nach seiner Rückkehr verloben. Ich nehme an, daß die Hochzeit kurz danach stattfindet – er wird nicht lange warten wollen.«
Thomas hatte immer gehofft, daß sie die Vergangenheit irgendwann ungerächt ruhen lassen würde, doch jetzt begriff er, daß keine Chance dazu bestand, daß sie sich zerstören würde, wenn es ihr nicht gelänge, Angelo zu zerstören. Aber er wollte sich nicht damit abfinden, das mit ansehen zu müssen.
Sie war aufgestanden, stellte das Weinglas auf den Tisch und begann, Kontobücher und andere Geschäftsunterlagen in eine Truhe zu stapeln. Sie kniete auf dem Boden, ihr angeschmutztes Seidenkleid umfloß sie in weichen Falten. »Angelo wird zuerst nach Florenz segeln, um das Gold zu holen, das er für die Reise braucht«, berichtete sie. »Monsieur de Coniques begleitet ihn, er braucht ihn wegen der abzuschließenden Verträge.« Sie hielt inne und setzte sich auf ihre Fersen. Und dann wiederholte sie langsam und nachdenklich den Namen: »Monsieur de Coniques …« Und plötzlich lag wieder Hoffnung in ihrer Stimme.
Monsieur de Coniques, dachte sie. Jehan.
Sie hatte den Notar am vorangegangenen Abend nicht gesehen, was ihr sehr recht gewesen war: Laut Thomas' Erzählung hatte er sich zu einem Trunkenbold entwickelt. Jehan! Sie wünschte Thomas weit weg, dann hätte sie den Gedanken, der ihr durch den Kopf geschossen war, in Ruhe weiterspinnen können. Aber Thomas rührte sich nicht von der Stelle, lehnte immer noch am Fensterbrett und musterte sie mißtrauisch.
»Monsieur de Coniques?« hakte er nach. »Haben Sie ihn gestern gesehen?«
»Nein, er war nicht dort. Wie es scheint, treibt er sich häufig in Gasthäusern herum.«
»Er ist sich offenbar treu geblieben«, bemerkte Thomas sarkastisch.
Jehan, dachte sie wieder. Jehan und Angelo. Vor zehn Jahren hatten die beiden den Korsarenüberfall auf die Guardi-Schiffe geplant. Nein, das war allein Angelos Werk gewesen. Jehan hatte ein neues Testament verfaßt, in
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