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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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unter der dünnen Seide seines Hemdes und Wamses. Er war stark und selbstbewußt, wie ihr Vater, und den hatte sie seit jeher gefürchtet. Sie verabscheute ihre Mutter und Nencia, doch ihren Vater fürchtete sie wegen seiner Macht und Stärke.
    Endlich gab Angelo ihren Mund frei, ließ sie jedoch nicht los. Fiametta öffnete die Augen und starrte unverwandt auf die Darstellung von Zeus und Leda, während Angelo ihre Wangen, ihre Kehle und ihre Schultern mit widerlich saugenden, nassen Küssen bedeckte. Es ekelte sie unsäglich,, doch sie ließ es geschehen. Als Angelo ihre großen, flachen Brüste zu kneten begann, glaubte sie, den Gipfel der Erniedrigung erreicht zu haben. Sein Gesicht war dunkelrot, Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Was sind Männer doch für erbärmliche Geschöpfe, dachte sie kalt, verlieren bei der Berührung selbst der unscheinbarsten Frau die Fassung und verwandeln sich in wilde Tiere.
    Wenn ich versage – wie wird ihr Leben dann weitergehen? Sie hatte seine Frage nicht beantwortet, und er hatte es auch nicht erwartet, doch der Gedanke daran hatte Thomas auf der langen Fahrt von Marseille in die Toscana nicht losgelassen und verfolgte ihn auch noch, als er die Straßen von Florenz durchstreifte.
    Den Palazzo der Nadis ausfindig zu machen war kein Problem gewesen. Schon der erste Passant, den er fragte, konnte ihm den Weg beschreiben. Das beeindruckende Haus mit dem leicht schrägen Ziegeldach lag nicht weit von der Kirche Santa Maria Novella entfernt. Die Gipsmauern waren mit gemalten Ornamenten verziert, und über dem Portal prangte das Familienwappen. Jetzt, am Abend, waren die Läden der hohen Bogenfenster, ebenso wie die der anderen prächtigen Bauten in der Straße, geschlossen.
    Durch einen Nebel feinen Nieselregens schaute Thomas von dem Durchgang aus, in dem er Posten bezogen hatte, zu dem pompösen Eingang hinüber. Er dachte an Angelo und an Jehan de Coniques. Er nahm an, daß sie nicht lange in Florenz bleiben würden, da sie ja bereits im Frühjahr wieder aus der Levante zurück sein wollten. Wenn er Pech hatte, würde der Notar bis zur Abreise nicht vor die Tür gehen. Vielleicht hatte er das Trinken aufgegeben und war wieder der korrekte, schweigsame Anwalt, als den Franco Guardi ihn geschätzt hatte. Aber Thomas glaubte nicht daran. Damals in Livorno hatte der Mann den Eindruck eines Menschen gemacht, der von Haß und Verbitterung verzehrt wurde, und daran hatte sich bestimmt nichts geändert. Früher oder später würde Jehan herauskommen und durch die dunklen Gassen zu irgendeiner Spelunke schleichen.
    Thomas tastete nach seinem Messer, das er unter dem Wams verborgen hatte – im Florenz war es nicht gestattet, nach Einbruch der Dunkelheit Waffen zu tragen –, und vertrieb sich die Zeit damit, Passanten zu beobachten, deren Kleider und Gesichter aufleuchteten, wenn sie an den Wandlampen vorbeikamen, die den Eingang des Palazzos flankierten. Endlich öffnete sich die Tür. Thomas' Herz machte einen Satz. Er erkannte den Notar sofort an der weiten Robe, der gebückten Haltung und der vorspringenden Nase und heftete sich an seine Fersen. Jehan schien genau zu wissen, wohin er wollte. Er schaute sich mehrmals um, als fürchte er, verfolgt zu werden, doch Thomas konnte jedesmal rechtzeitig in Deckung gehen. Außerdem hatte er den Hut tief ins Gesicht gezogen, um nicht erkannt werden zu können. Allerdings hätte sich der Notar sicherlich nicht an ihn erinnert. Sie kamen zu dem Platz, auf dem die Kirche Santa Maria Novella in die Nacht ragte, vorbei an der Taufkapelle, die in der Dunkelheit geisterhaft weiß und grünlich schimmerte, und gingen dann durch die Via del Proconsolo in Richtung Fluß.
    Es war niemand auf der Straße, und Thomas hätte sich Jehan jetzt greifen können, doch er beschloß zu warten: Er war auf die Redseligkeit des Mannes angewiesen und mußte ihm deshalb Gelegenheit geben, sich zu betrinken. Er beobachtete, wie Jehan nicht weit vom Ufer des Arno entfernt eine kleine Taverne betrat. Er hätte selbst gerne etwas getrunken, aber er widerstand der Versuchung. Er mußte einen klaren Kopf behalten.
    Etwa eine Stunde später kam der Notar wieder heraus. Er stolperte über die Schwelle und hielt sich am Türrahmen fest, um nicht hinzufallen: Dann zog er eine Flasche aus den Falten seiner Robe und trank alle paar Schritte einen Schluck. Er kam nah an Thomas vorbei, und der hörte ihn etwas flüstern. Das Flüstern steigerte sich zu Gemurmel und dann zu

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