Serafinas später Sieg
fragte Angelo nach dem Ergebnis seiner Geschäfte in Marseille. »Ich habe Wollstoffe, Barchent und Seidenrips eingekauft, aber es ist noch genügend Platz für Ihre Seiden«, antwortete er. Bald würde er diesen mächtigen Mann beim Vornamen nennen dürfen, dachte er, als er sich von einer Platte bediente, auf der ein tranchierter, wachtelgefüllter Fasan appetitlich angerichtet war. Angelo wandte sich mit einem gewinnenden Lächeln an die gesamte Familie. Nencia kicherte und warf die rotgoldenen Locken zurück. Giulia, die in ihrem türkisfarbenen Seidenkleid besonders vornehm und zerbrechlich aussah, sagte: »Fiametta – betrachtest du es nicht als eine große Ehre, daß Signor Angelo sein Schiff nach dir benannt hat?«
Die Angesprochene murmelte etwas, ohne den Blick von ihrem Teller zu heben.
»Als ich jung und hübsch war«, erzählte ihre Mutter, »taufte ein Prinz vier Schiffe nach mir: Giulia im Frühling, Giulia im Sommer , und so weiter. Ich fand es reizend.«
Fiamettas Miene wurde noch finsterer.
»Wenn ich ein neues Meer entdecke«, strahlte Angelo die Hausherrin an, »werde ich es nach Ihnen benennen, Signora. Und wenn Sie von Ehre sprechen, so möchte ich Ihnen sagen, daß ich es als eine große Ehre betrachte, mit drei so wunderschönen Damen zu speisen.« Er hob sein Glas. Ein Jammer, daß er gezwungen war, dieses farblose, mürrische Geschöpf zu heiraten, anstatt ihre Mutter heimführen zu können. Doch auch diese hatte einen Makel: Sie besaß zwar Schönheit, aber kein Vermögen. Seine Gedanken wanderten zu dem Abend in Marseille, die er mit der Witwe Capriani verbracht hatte. Signora Capriani war schön und reich. Und sie verfügte über Intelligenz und Mut – und eine Unverfrorenheit, die er, wie er sich eingestehen mußte, sehr verführerisch fand. Außerdem – und das reizte ihn besonders – hatte sie etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes.
»Sie segeln also nach Scanderoon« unterbrach Lorenzo seine Träumerei. Er hatte vor, ein Dutzend Ballen kostbarster Seide und eine Truhe voll Gold auf die Reise mitzugeben. Angelo winkte ab, als ihm eine Platte mit Trüffeln gereicht wurde. »Ja, Signor, aber ich erwäge, vorher noch einen Abstecher nach Zakynthos zu machen.« Jehan, der am anderen Ende der Tafel saß, kicherte grunzend. Angelo überging diesen ungehörigen Kommentar und fuhr fort: »Ich habe schon früher Geschäfte in Zakynthos gemacht. Gouverneur Carcandella ist ein alter Bekannter von mir.«
»Angelo«, der Notar leerte sein Glas, »hat viele Bekannte – in allen vier Ecken des Mittelmeerraumes: in Frankreich, Venedig …«
Angelo schnitt ihm das Wort ab, ohne auf seinen Einwurf einzugehen. »Wie Sie wissen, Signor Nadi, war es der Firma Guardi früher nicht möglich, Rohseide in Scanderoon zu kaufen. Doch jetzt – mit der Fiametta und Ihrer Unterstützung – steht uns das gesamte Mittelmeer offen. Und irgendwann fahren wir vielleicht auch noch weiter in die nördlichen Länder, zum Beispiel, oder zu den Westindischen Inseln.«
»Auf den Westindischen Inseln«, Nencia hatte das Kinn auf die ineinander verschlungenen Finger gestützt und sah Angelo keck an, »tragen die Frauen nur ein Tuch um die Taille und Perlenketten um den Hals. Stellen Sie sich das vor!« Sie lächelte und entblößte dabei kleine, ebenmäßige Zähne.
»Nencia!« fuhr Fiametta sie an, aber Angelo erwiderte das Lächeln des Kindes und sagte: »Und in Marokko verschleiern sich die Frauen von Kopf bis Fuß – man kann nur ihre Augen sehen. Ich bin froh«, er legte seine Hand auf Fiamettas, »daß hierzulande keine derartigen Bräuche herrschen.«
Sie riß ihre Hand weg, als habe sie sich verbrannt. Hektische Flecken erschienen auf ihrem Hals und ihrem Décolleté, und sie starrte auf ihren Teller.
Der Lautenspieler, der eine Pause gemacht hatte, intonierte eine Melodie, die »Bianco Fiore« hieß – weiße Blume. Wie passend, dachte Angelo: Ein Symbol für die Jungfräulichkeit. Allerdings ließ Fiametta die Lieblichkeit vermissen, die man mit einer schönen Blüte verband. Dennoch freute er sich darauf, das Mädchen zu deflorieren. Er genoß zwar das Zusammensein mit erfahrenen Frauen, aber es lag für ihn ein besonderer Reiz darin, der erste zu sein. Er würde ihre Leidenschaft wecken und sie zu Höhen der Lust führen, die ihm garantierten, daß sie nicht in Versuchung käme, bei einem anderen Mann Erfüllung zu suchen. Er wollte sicherstellen, daß die Kinder, die er als seine betrachtete,
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