Serafinas später Sieg
herstellen«, murmelte Jehan. »Kein Wasser. Franco kaufte sie bei den Corsinis – aber nicht einmal Angelo wagte es, diese Geschäftsverbindung aufrechtzuerhalten.«
Angelo hatte durch den Tod Franco Guardis also eine wichtige Geschäftsverbindung verloren, die er jetzt durch eine familiäre Bindung an das Haus Nadi ausgleichen wollte. Ein kluger Plan. Wider Willen empfand Thomas Bewunderung für seinen Widersacher.
»Ich habe das Testament aufgehoben – das ursprüngliche, meine ich«, sagte Jehan. »Für alle Fälle.«
Diese Eröffnung nahm Thomas den Atem. Er wischte sich den Regen vom Gesicht und brachte gepreßt hervor: »Geben Sie es mir. Ich kann Sie so weit von Angelo wegbringen, wie Sie wollen. Auch ich habe ein Schiff!«
Jehan war zwar nicht in der Lage, glücklich zu sein, doch er empfand einen Anflug von Triumph, als er allein durch die dunklen Straßen zum Palazzo Nadi zurückschlurfte. Serafina lebte!
Es war zum Lachen! Es schien, als hätten die Götter Angelo fallengelassen und dem Schicksal eine Wendung gegeben, die selbst er nicht voraussehen konnte. Der Notar wünschte, er hätte die Flasche nicht verloren. Serafinas Überleben versetzte ihn in die Lage, Angelo zu vernichten – und diese neu erlangte Machtposition hätte er gerne mit einem ordentlichen Schluck gefeiert. Er warf den Kopf zurück und lachte keckernd. Er hatte bereits die Kirche Santa Maria Novella passiert, als er plötzlich Schritte hinter sich hörte. Er glaubte, der Engländer sei ihm gefolgt, drehte sich um – und stand dem einzigen Mann gegenüber, vor dem er sich jemals gefürchtet hatte. Unfähig, sich zu bewegen, ließ er sich die Schnur um den Hals legen. Das letzte, was Jehan de Coniques in seinem Leben sah, waren die dunklen, triumphierenden Augen von Angelo Guardi.
Thomas hörte es zwei Tage später: Ein Mann war ans linke Arnoufer gespült worden, ganz in der Nähe der Kirche San Miniato, die mit ihrer herrlichen Mosaikfassade ein Schmuckstück der Stadt war. Er sei nicht ertrunken, fügte der Schankgehilfe hinzu, man habe ihn erdrosselt und ausgeraubt. Der Strick habe noch um seinen Hals gelegen. Deshalb war der Notar nicht wie versprochen zu ihm gekommen! Nach Tagen angespannten Wartens atmete Thomas jetzt erleichtert auf. Er hatte gefürchtet, der Notar habe seine Meinung vielleicht geändert und sich Angelo anvertraut – oder seine Zusage, verwirrt durch den Alkohol, einfach vergessen. Aber nun wußte Thomas, daß er sich keine Sorgen mehr zu machen brauchte – aber auch keine Hoffnungen. Er war zu spät gekommen. Ein Tag früher hätte genügt. Er wird mich töten, ich habe es heute in seinen Augen gelesen. Er hatte recht gehabt.
An diesem Tag lag der bittere Geschmack des Versagens auf Thomas' Zunge. Als er durch das Stadttor hinausritt, wurde ihm plötzlich bewußt, daß er die letzte Strophe von Jehans Lied vor sich hin murmelte.
Nous y pourrions dormir
Nous y pourrions dormir
Jusqu'à la fin du monde.
Lon la
Jusqu'à la fin du monde.
Die Auffindung von Jehans Leiche gestattete Angelo, Florenz zu verlassen. Hätte der Fluß die Leiche mit ins Meer hinausgenommen, wäre er, um den Schein zu wahren, gezwungen gewesen, eine Suchaktion in die Wege zu leiten, die natürlich nichts erbracht, ihn jedoch wertvolle Zeit gekostet hätte. Ein Liebespaar hatte den Toten gefunden – zwischen angeschwemmten Gemüseabfällen und verrotteten Wasserpflanzen. Angelo hatte ihn identifiziert, angemessene Betroffenheit gezeigt, eine gebührende Belohnung für die Ergreifung des Mörders ausgesetzt – und den Befehl gegeben, eiligst seine Sachen zu packen. Die Bediensteten der Nadis arbeiteten schnell. Er würde bereits nach dem Mittagessen aufbrechen können.
Zu seinem Erstaunen brachte er keinen Bissen hinunter. Er hatte schon früher Leichen gesehen, aber keine, die zwei Tage im Wasser gelegen hatten. Das blasse Kalbfleisch auf dem Teller erinnerte ihn an die blutlose, klaffende Wunde auf Jehans Stirn, die er sich nach seiner Ermordung zugezogen hatte – wahrscheinlich an einem scharfen Stein: Das glasierte Marzipandessert rief ihm die bleichen Glieder des toten Jehan ins Gedächtnis. Die gleiche Übelkeit hatte ihn befallen, als er, nachdem er den Leichnam zum Arno geschleppt hatte, dessen Taschen ausräumte, um den Eindruck eines Raubüberfalls zu erwecken.
Seine Empfindlichkeit überraschte Angelo, er hatte bisher niemals Magenbeschwerden gehabt. Es mußte an dem überreichlichen Essen liegen – und an der
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