Serafinas später Sieg
Levant Company Handel mit Marokko – Thomas hatte selbst mehrmals in Sallee angedockt –, aber auf den Berber-Feldern und -Schiffen arbeiteten englische Sklaven, und die Nomadenstämme ließen keine anderen Gesetze gelten als ihre eigenen. Immerhin, dachte Thomas mit einem Anflug von Galgenhumor, bin ich erst vor kurzem dem Tod durch Erschießen und Ertrinken entkommen. Er nahm es als gutes Omen. Als es dunkel war, rollte er sich unter einem Ölbaum zusammen und schlief ein.
Am folgenden Morgen erwachte er, da ihn jemand anbrüllte. Es waren unverständliche Laute. Sobald sein Verstand zu arbeiten begann, registrierte er einen Fuß, der gegen seinen Kopf stieß, und eine Schwertspitze, die über seinen Bauch strich.
Er öffnete die Augen und musterte den Mann, der über ihm stand. Der Kerl war in schmutzige Lumpen gehüllt, die früher einmal weiß gewesen waren. Er stank atemberaubend und grinste bösartig auf Thomas herunter. Dieser setzte sich auf, ließ sein schönstes Lächeln erstrahlen, das sonst für reiche Schiffseigner und hübsche Frauen reserviert war, und zermarterte sich den Kopf nach einer besänftigenden Formulierung. Welche Sprache würde der Bursche wohl verstehen? Er probierte alle durch, die er notdürftig beherrschte, und überprüfte währenddessen verstohlen, ob sein Messer noch im Gürtel steckte. Doch weder sein Lächeln noch seine Worte hatten einen positiven Erfolg. Aus dem Stoß mit dem Stiefel wurde ein Tritt, und der Druck der Schwertspitze verstärkte sich, bis Blut floß.
Es war früher Morgen. Die Sonne stand noch tief am Horizont, das spärliche Gras glänzte taufeucht. Thomas ließ den Blick von dem Fremden zu dem kräftigen Pferd wandern, das in der Nähe an einem Baum festgebunden war. Am Sattel hingen Wasserflaschen! Jetzt oder nie! Als Thomas aufstand, schloß sich seine Hand um den Griff seines Messers.
Doch er bekam keine Chance, es zu benutzen. Er spürte, wie etwas die verbrannte Haut seines Nackens ritzte, und dann packte von hinten eine Hand zu und bog seine Finger auf. Sekunden später beförderten ihn Schläge und Tritte in eine tiefe Bewußtlosigkeit.
Sie hatten ihm sein Messer und den Hut abgenommen, aber gottlob nicht sein Wams! Als Thomas aufwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Er lag auf dem Rücken – noch immer in dem Olivenhain, in dem die Fremden auf ihn gestoßen waren. Er spürte geronnenes Blut auf seinem Gesicht und im Nacken. Seine Lider waren so geschwollen, daß er die Augen nur einen Spaltbreit öffnen konnte. Seine Glieder, am Vortag von der See übel geschunden, fühlten sich an, als seien sie zerschmettert.
Verschwommen nahm er Männer, Frauen und Kinder wahr, die sich wie Geistwesen bewegten. Einige räudige Mulis, mehrere Kamele und eine kleine Schafherde grasten am Rande des Wäldchens. Thomas versuchte, sich aufzusetzen. Seine Hände und Füße waren gefesselt, die Handgelenke zusätzlich an einen Baum gebunden. Thomas konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken.
Er bekam einen Tritt in den Leib, riß automatisch die Knie hoch. Seine Fußfessel wurde durchschnitten und er auf die Füße gestellt. Die Karawane machte sich zum Weiterziehen bereit. Die bereits beladenen Kamele wurden aneinandergebunden, die Tragekörbe auf die Maultiere gehievt. Thomas fragte sich, was das Schicksal wohl für einen Steuermann bereithielt, der so unvorsichtig gewesen war, sich an die Berber-Küste spülen zu lassen, und er fragte sich, weshalb sie ihn nicht getötet hatten.
Sie zogen landeinwärts – auf die Berge zu. Vegetation wurde immer seltener.
Er bekam genügend Wasser und Essen – Datteln, Oliven und Brot –, um am Leben zu bleiben und ihnen von Nutzen sein zu können. Hätten die Jahre auf See seinen Körper nicht gestählt, wäre er am zweiten Tag zusammengebrochen, doch so empfand er den Marsch nicht anstrengender als das Durchsegeln eines Unwetters.
Sie kamen nur langsam voran – etwa drei Meilen täglich, schätzte Thomas. Nach einer Weile setzte er ganz automatisch einen Fuß vor den anderen, spürte die Last auf seinem Rücken kaum noch. Wenn er mit dem Rest der Karawane Schritt hielt, hatte er keine Prügel zu befürchten. In der Mittagshitze suchten sie so gut wie möglich Schutz vor der sengenden Sonne. Nachts schlief Thomas unter den Sternen, während die Nomaden in ihren Ziegenfellzelten lachten, stritten und Haschisch rauchten.
Irgendwann hörte er auf, die Tage zu zählen. Vielleicht waren sie zwei Wochen unterwegs, vielleicht
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