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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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worden, die Reste der Aufbauten ragten wie anklagende knochige Finger in die Luft. Thomas hatte entschiedene Vorbehalte gegen die baulichen Qualitäten der Toby gehabt, doch jetzt war ihm, als erlebe er den frühen und qualvollen Tod eines Freundes mit. Unsicher kam er auf die Füße.
    Die Wellen schwemmten immer neues Strandgut an. Taue und Seile, Balken und Sparren und Gegenstände des täglichen Lebens lagen zwischen bunten Steinen und Muschelschalen. Thomas stolperte an der Wasserlinie entlang. Der Korken eines Oxhoft-Fasses hatte sich gelockert, und das Ale versickerte langsam tröpfelnd im Sand. Und dann wurde Thomas' Blick von einem Gegenstand gefesselt, der auf den Wellen tanzte, und plötzlich lag der ehemals prachtvolle Samthut vor seinen Füßen. Die verbliebenen Federn hingen zerrupft herunter, doch die Perlenspange befand sich noch an ihrem Platz.
    Thomas wandte sich ab und übergab sich. Als er den salzwasserverdünnten Inhalt seines Magens auf den Berber-Strand entleert hatte, stellte er fest, daß sein Kopf wieder klar war, und seine Gliedmaßen begannen, sich ihrer Pflichten zu erinnern.
    Seiner Ansicht nach befand er sich irgendwo zwischen Rabat und Tanger. Er würde nordwärts marschieren – Richtung Tanger. Doch zuerst mußte er herausfinden, ob es noch andere Überlebende der Toby gäbe.
    Thomas kletterte die Felsen hinauf, die die Bucht begrenzten. Sie waren schwarz und scharfkantig und schnitten ihm in Hände und Füße. Seine Schuhe hatte er im Kampf mit den Wellen verloren. Gottlob war ihm sein Hut geblieben, so konnte er wenigstens seinen Kopf gegen die sengende Sonne schützen.
    Als er beinahe oben angekommen war, hielt er inne, um Atem zu schöpfen. Ein Glitzern stach ihm in die Augen. Er kniff sie zusammen und erkannte eine kleine Holzkiste, die sich in einer Felsspalte verklemmt hatte. Aus einem Loch in der Seitenwand fielen Goldmünzen in das dunkle Wasser.
    Gold der Levant Company, um ein paar Hände zu schmieren, Rädchen zu ölen. Hundert Pfund oder mehr – eingeschlossen in der Kapitänskajüte, bis das Schiff in Livorno, Zakynthos oder Patras anlegte. Doch die Toby würde keines dieser Ziele je erreichen.
    Mit grimmigem Gesicht setzte Thomas seinen Aufstieg fort, und plötzlich hörte er noch andere Geräusche außer dem Donnern der Brandung gegen die Felsen: Männerstimmen! Durch eine Felsspalte konnte er in die angrenzende Bucht schauen. Da unten diskutierten William Williams, der Schiffszimmermann, und etwa ein Dutzend weiterer Männer. Thomas wollte sich schon aufrichten und hutschwenkend bemerkbar machen, als ein Gedanke ihn erstarren ließ. Hundert Kronen oder mehr – für alle Welt bei dem Schiffsunglück verlorengegangen! Sein Atem stockte. Wenn er die Kameraden auf sich aufmerksam machte, würde er gemeinsam mit ihnen irgendwann nach London zurückkehren und wieder als Steuermann für die Levant Company fahren – doch wenn er sich ruhig verhielte …
    Hundert Kronen würden ihm gestatten, mit dem Bau seines Schiffes zu beginnen. Hundert Kronen und ein hübscher Freihafen, wo niemand unangenehme Fragen stellte …
    Es gab nur eine mögliche Entscheidung. Die anderen würden schon ohne ihn zurechtkommen. Lieber Gott, steh ihnen bei, betete Thomas, als er begann, die Goldmünzen mit der Hand aus dem Felsenbassin in seinen Hut zu schaufeln.
    Zunächst gab es keine Probleme. Entgegen seiner ursprünglichen Idee marschierte Thomas im schützenden Schatten von Tamarisken und Pinien landeinwärts. Seine nackten Füße liefen über weichen Sand und trockene Nadeln. Sein Körper schmerzte von der rüden Behandlung durch die See, aber er fühlte sich regelrecht beschwingt. Er war kein Leichnam, der bleich und aufgedunsen an die Berber-Küste geschwemmt würde. Er hatte eine Wasserflasche und ein Wams dabei – beides Strandgut von der Toby. Im Schutz der Bäume riß er das Futter aus dem Wams und ersetzte die Wattierung durch die Goldmünzen.
    Schließlich lichtete sich der Wald. Die Sonne hing wie ein Messingteller am wolkenlosen Himmel. Es mußte zwischen drei und vier Uhr sein. Thomas war noch keiner Menschenseele begegnet, doch das störte ihn nicht, im Gegenteil. Seine Kleidung und sein heller Teint wiesen ihn als Europäer aus, und auch die Tatsache, daß er weder Pferd noch Kamel und als einzige Waffe ein Messer besaß, konnte sich in dieser Gegend nur nachteilig für ihn auswirken.
    Was wußte er über das marokkanische Königreich? Wenig genug. Seit 1585 trieb die

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