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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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erinnerte sich an das Lagerhaus in Marseille, und für einen Moment empfand sie einen ebensolchen Zorn wie er. »Sie wollen lieber bei den Westindischen Inseln nach dreiköpfigen Seeungeheuern suchen oder nach märchenhaften Goldschätzen in der Neuen Welt?«
    Er starrte sie feindselig an. »Durchaus nicht. Ich werde Handel treiben – in einem Umfang, den du dir nicht einmal im Traum vorstellen kannst. Und jetzt verschwinde ins Bett.« Er zog zwei Würfel aus der Tasche. »Ich habe die Absicht, mein Vermögen noch etwas zu vergrößern.« Serafina stand auf – sie war es gewöhnt zu gehorchen. Sie hatte eine Idee in Thomas Marlowes Kopf eingepflanzt – für den Augenblick genügte ihr das.
    Je weiter sie in die Provence vordrangen, um so mehr bekamen sie den Bürgerkrieg zu spüren. Von Paris ausgehend, hatte er sich auch auf den Süden ausgedehnt, und die Mittelmeerstädte handelten in zunehmendem Maße in ihrem eigenen Interesse anstatt in dem der wechselnden, austauschbaren Könige. Die unvermeidlichen Begleiterscheinungen des Krieges – Mißtrauen, Gewalttätigkeiten und Hungersnot – überzogen die Lavendel- und Rosmarinfelder und die weißgetünchten Dörfer an der Küste. Savoyarden, französisch-katholische und Hugenottentruppen hatten die schöne Provence im Kampf um politische und religiöse Ziele zertrampelt. Vier Jahre zuvor hatte Charles de Casaulx eine Periode der Diktatur eingeleitet, und während Henri IV. sein Erbe fester in den Griff nahm, fiel Marseille zusehends in die Isolation, bis es gezwungen war, sich an Spanien um Hilfe zu wenden: Es brauchte Getreide, Waffen, Soldaten und Galeeren.
    Je näher sie Marseille kamen, um so stärker wurde das unangenehme Gefühl in Thomas Marlowes Magengrube. Wenn das verwünschte Mädchen an seiner Seite nicht gewesen wäre, hätte er in Cartagena oder Valencia ein Schiff bestiegen und Henri de Navarres Königreich gänzlich gemieden.
    An einem Frühsommertag sahen sie Marseille vor sich liegen. Sie ritten von den weißen Klippen herunter und mußten am Stadttor einen Schwall von Fragen über sich ergehen lassen. Nachdem Thomas sich als Segelmacher aus Genua ausgegeben, die schweigende Serafina als Giovanni vorgestellt und auch die anderen Fragen der Wache mit phantasiereichen Lügen beantwortet hatte, durften sie schließlich passieren.
    In der Stadt herrschte Feststimmung. Oboen-, Violen- und Flötenklänge ertönten in der brütenden Hitze. Serafina senkte den Kopf, als könne sie damit dem Lärm und dem grellen Sonnenlicht entgehen – sie litt sichtlich. Thomas jedoch wurde bei der Aussicht, seinen lästigen Schützling in Kürze loszuwerden, leicht ums Herz. Bald würde er nicht mehr die unpassende und lächerliche Rolle eines Kindermädchens spielen müssen – bald wäre er frei und in der Lage, das Geschenk zu nutzen, das die See ihm nach dem Verlust der Toby gemacht hatte.
    Wegen des Festes mußten sie ihre Pferde bei einem Gasthaus abstellen und sich ihren Weg zu Fuß durch die bevölkerten Straßen bahnen. Thomas führte Serafina am Ellbogen. Maskierte Gestalten kamen ihnen entgegen: Satyre, Mänaden und zweiköpfige Ungeheuer. Serafina hatte den ganzen Tag kaum ein Wort gesprochen, weder Furcht noch Freude gezeigt, sondern sich völlig in sich zurückgezogen und kaum reagiert, wenn Thomas etwas zu ihr sagte – doch das störte ihn nicht. Er roch Salzluft, Fisch und Pech, sah in der Ferne den Wald von Masten im Hafen, wenn sie aus einer schmalen Gasse auf einen der Plätze kamen, und wurde von einer freudigen Erregung erfaßt. Marseille wäre eine Chance! Die Frage, wo er sein Schiff bauen sollte, hatte Thomas seit ihrem Gespräch in der spanischen Taverne nicht mehr losgelassen. Zu seinem Ärger hatte Serafina recht: Spanien kam nicht in Frage, denn selbstverständlich lag es nicht in seinem Interesse, den Feinden ein Schiff zur Verfügung zu stellen, um es gegen sein eigenes Land einzusetzen. Und er würde auch für das Reich der Ottomanen kein Schiff bauen, denn das würde wie bei Kara Ali zum Verlust seines Namens, seiner Religion und seiner Unabhängigkeit führen. Nach England zurückzukehren und die Kingfisher dort mit dem gestohlenen Gold der Levant Company zu bauen wäre gelinde gesagt eine Dreistigkeit – und außerdem gab es da auch noch den eifersüchtigen Edward Whitlock. Nein, dachte Thomas – die Kingfisher sollte ihm allein gehören! Er würde für Auftraggeber Fracht transportieren, aber er würde sein Besitzrecht nicht

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