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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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senkte sich auf sie und glitt in sie hinein.
    Es war nicht annähernd so schwierig, wie sie gefürchtet hatte. Sie war sehr nervös gewesen, hatte mehr Wein getrunken als üblich – doch jetzt erkannte sie, daß das gar nicht nötig gewesen wäre, da ihr Körper ganz von selbst reagierte. Und diesmal fürchtete sie sich auch nicht davor, verwundbar zu werden wie bei Jacopo Capriani. Mit Thomas Marlowe zu schlafen hatte nichts Erschreckendes, war kein Opfer. Seine Arme zu fühlen, die Wärme seiner Lippen auf den ihren, erschien ihr gut und richtig. Als sie sich das zweite Mal liebten, hörte sie sich ein Wort rufen, von dem sie annahm, daß es ungehört zwischen den zerwühlten Laken verhallte. Aber selbst wenn Thomas es gehört hätte, hätte sie es nicht zurückgenommen, auch wenn das möglich gewesen wäre.
    Morgen würde sie die trügerischen, aber bezaubernden Spinnweben der Liebe zerreißen, heute wollte sie es sich gestatten, sich für die Dauer dieser heißen, duftenden Nacht in den schönen, glitzernden Fäden zu verstricken.
    Als Thomas am Morgen aufwachte – noch immer im Zauber der Nacht gefangen –, war Serafina fort. Sonnenlicht filterte durch die Bettvorhänge. Er ließ die Ereignisse des vergangenen Abends an seinem geistigen Auge vorbeigleiten und konnte sich keinen Reim darauf machen. Was hatte sie bewogen, sich ausgerechnet ihn für ihr erstes intimes Erlebnis mit einem Mann auszusuchen? Ja – das war genau das richtige Wort: Sie hatte ihn sich ausgesucht! Über sein eigenes Motiv hatte er keine Zweifel. Im Laufe der letzten achtzehn Monate hatte Serafina sich für ihn von einer Belastung zu einer wahren Besessenheit entwickelt. Ihr Bild war auf der Innenseite seiner Augenlider eingeätzt, ihre Erscheinung, ihre Stimme hatten sich in seine Seele gegraben. Welchem Umstand verdankte er ihren Sinneswandel? Bei ihrem letzten Zusammentreffen hatte sie ihm drastisch klargemacht, daß sie seinen linkischen Überfall abstoßend fand. Er hatte sie wütend gemacht, indem er ihr die Haßliebe vor Augen führte, die sie für Angelo empfand, und sie hatte ihn mit Verachtung gestraft. Doch gestern hatte sie ihn eingeladen und war so weit gegangen, sich ihm in einer geradezu schamlosen Weise zu nähern.
    Schließlich waren sie ins Bett gegangen und hatten sich ein zweites Mal geliebt. Er fühlte noch jetzt den seidigen Vorhang ihres Haares auf seinem Gesicht, sah den Ausdruck ihrer Augen, mit dem sie ihn aufgefordert hatte, sie zu verwöhnen. Er wußte, daß er Zärtlichkeiten gemurmelt hatte und daß sie sich einmal auf dem Gipfel des Genusses dazu hatte hinreißen lassen, ein Liebeswort hervorzustoßen. Er unterschätzte die Bedeutung dieser Tatsache nicht. Angesichts ihrer Vergangenheit fiel es ihr bestimmt nicht leicht, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
    Es überraschte ihn nicht, sich an diesem Morgen allein und ihre Bettseite so ordentlich glattgestrichen vorzufinden, als sei sie gar nicht dagewesen, doch sobald er die Augen schloß, sah er wieder ihren honigfarbenen Körper und die dunklen, hungrigen Augen vor sich.
    Von einem Fenster im ersten Stock aus sah Jacopo Capriani Serafina am frühen Abend zurückkehren. Sie war drei Tage zuvor mit Amadeo nach Livorno gefahren, um Seide und Bänder zu kaufen – aber Amadeo war gestern allein zurückgekommen. Der Kaufmann hatte die Absicht gehabt, ihr Vorhaltungen zu machen, doch als er ihrer jetzt ansichtig wurde, verwarf er diesen Vorsatz.
    Das Haus war leer gewesen ohne sie. Es hatte keinen Sinn, ins Kontor zugehen, wenn Serafina nicht dort war und ihn mit einem Lächeln empfing, keinen Sinn, sich zum Essen an den Tisch zu setzen, wenn sie ihm nicht gegenübersaß und durch ihre bloße Gegenwart jede einfache Mahlzeit zu einem Festessen machte. In den letzten Wochen hatte er oft gedacht, er werde wieder krank, und er hatte wieder diese farbenprächtigen Alpträume. Doch seine Stirn war kühl geblieben und sein Herzschlag normal. Und schließlich war er darauf gekommen, daß gewisse Gefühle zwar jahrelang brachgelegen hatten, aber nicht abgestorben waren. Er ertappte sich dabei, daß er hin und wieder ohne ersichtlichen Grund in Gelächter ausbrach wie ein Narr. Ja – er war tatsächlich närrisch. Serafina hatte es vollbracht, daß er sich wieder jung fühlte, einen zweiten Frühling erlebte.
    Wenn er jetzt nachts nicht schlafen konnte, dann lag das nicht an den Unbilden des Alters oder an einer Krankheit, sondern an Serafina. Sie entsprach ganz

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