Serafinas später Sieg
aber Serafina hatte sich in sein Leben geprägt wie ein Damastmuster in Seide.
Er war eingeschlafen. Plötzlich schreckte er hoch, ohne zu wissen, weshalb. Der Himmel leuchtete in einem hellen Orangeton. Einen Moment lang dachte er, es sei bereits die Morgenröte, doch gleich darauf erinnerte er sich daran, erst vor kurzem gehört zu haben, wie die Kirchenglocken Mitternacht schlugen. Er sprang auf, zog sich das Hemd über den Kopf und rief nach den anderen, noch bevor er sich selbst die schreckliche Wahrheit eingestanden hatte. Der orangefarbene Himmel bedeutete nichts anderes als das, was auf allen ausgetrockneten, überhitzten Docks am meisten gefürchtet wurde: ein Feuer!
Er sprang auf den Kai hinunter, Cristofano und William Williams folgten ihm auf den Fersen – und dann erkannte er den Brandherd: das Holzlager! Voller Verzweiflung inbrünstig fluchend, rannte er auf den Platz zu, wo das Holz aufgestapelt war, das Holz, um das er gebettelt und geschachert, für das er seine Seele verkauft hatte. Als er ankam, war bereits die halbe Bevölkerung von Livorno versammelt. In allen Sprachen der Welt riefen sie einander Befehle zu, in Windeseile wurden Wassereimer von weißen in schwarze Hände weitergereicht, von schwarzen in braune. Sklaven aus dem Bagno schufteten, um das Holz zu retten, mit dem Galeeren gebaut werden sollten, auf denen sie als Ruderer eingesetzt würden. Funken stoben, der rote Schein des Feuers brannte die Unterschiede der Hautfarben weg. Thomas, der sich mit Cristofano durch die Menge drängte, hatte das Gefühl, durch eine Mauer aus Hitze zu stoßen, als er weiter zum Lager vordrang. Die dicken Balken brannten nach zwei Monaten in der erbarmungslosen toskanischen Sonne wie Zunder. Wenn Thomas wegen dieses Anblicks hätte weinen können, der das Ende seines Traums bedeuten konnte, wären seine Tränen verdampft, bevor sie seine Wangen berührten.
Er schickte den Lehrling zum Wasserholen fort und begann, fluchend, weil er keine Handschuhe anhatte, einen noch nichtentzündeten Balken aus dem schwelenden Stapel zu ziehen. Plötzlich spürte er, wie das Gewicht merklich nachließ: William Williams, die Hände in seine Lederschürze gewickelt, hatte das andere Ende des Balkens angehoben. Wasser zischte auf verkohltem Holz, Sklaven, die von den züngelnden Flammen erfaßt wurden, schrien in Todesangst. Thomas und der Zimmermann machten sich daran, den Balken aus der Gefahrenzone zu bringen.
Er wußte natürlich, daß alle Bemühungen umsonst sein konnten. Jeden Augenblick mußte man damit rechnen, daß ein Feuerball aus dem Inferno hochstieg – und wenn der Brand auf das Arsenal übergreifen würde, würde Livorno in die Sümpfe zurücksinken, aus denen die Medici es hochgezogen hatten.
Thomas arbeitete unermüdlich – ohne zu merken, daß die verbrannte Haut seines Gesichts sich schälte, und ohne sich um seine schmerzenden Hände zu kümmern. Rufus zog ganz allein mit einer Hand einen riesigen Eichenbalken aus dem Feuer. Funken sprangen, als er ihn über den Boden schleifte. Cristofanos Gesicht und nackter Oberkörper waren rußgeschwärzt – er sah aus wie ein Sklave aus dem Bagno. Thomas stieg der widerliche Geruch seiner versengten Haare und der verbrannten Haut in die Nase, er war noch unangenehmer als der beißende Gestank des verkohlten Holzes.
Als der Kreis der Menschen um den Brandherd enger wurde, erkannte Thomas, daß das Feuer besiegt war. Die Leute traten die Flammen aus wie lästige Insekten.
Sie hatten nur ein Dutzend Balken von fünfzig retten können und die wertvolle englische Eiche verloren, die Thomas für die Masten und Spanten vorgesehen hatte. Über Nacht würde der Holzpreis in die Höhe schnellen, und nur noch die großen Gesellschaften würden ihn bezahlen können und alle Vorräte aufkaufen. Thomas setzte sich auf die Kaimauer und starrte aufs Wasser hinaus. Die Schmerzen, die seine Verbrennungen verursachten, spürte er kaum. Der Schmerz in seinem Herzen war viel schlimmer. Wie sollte er diesen Rückschlag ausgleichen?
Jacopo Capriani war wieder unterwegs. Wie immer hatte er Amadeo und Bastien, seine Laufburschen, und eine bewaffnete Wache dabei – und seine Buchhalterin. Nein, man konnte sie nicht mehr als Buchhalterin bezeichnen. Sie war inzwischen viel mehr. Amadeo und Bastien kicherten heimlich darüber, doch es schwang Neid mit. Die Dienstmädchen und Laufburschen befolgten Serafinas Anordnungen ebenso prompt wie die ihres Herrn, aber nicht, weil sie
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