Serafinas später Sieg
stillschweigend übergehen.«
John Keane hatte die Feder ins Tintenfaß gesteckt und faltete die Hände. »Glauben Sie, daß Herzog Ferdinand etwas gegen die Übergriffe der Gesellschaft hat oder vielleicht gegen unseren erfolgreichen Handel? Im Mittelmeer tummeln sich zusehends mehr Fische, und die Gewinne der Westindischen Inseln und der Levante steigen ständig. Wir aus dem Norden haben die Schiffe, die Seeleute – und die Navigatoren. Venedig besitzt keine Macht mehr, Frankreich hat seit dem Bürgerkrieg schwer zu kämpfen, Spanien wird von einem greisen König regiert. Seit zwanzig Jahren herrscht Frieden im Mittelmeerraum – gewissermaßen. Die Zeiten waren nie besser für uns.«
Thomas Marlowe antwortete nicht gleich. Keanes Blick folgte ihm, während er langsam an der Laute, dem Schachbrett und dem Bücherregal vorbeiging. »Sie sind ein anständiger Mensch, Mr. Keane«, sagte er schließlich. »Macht es Ihnen nichts aus, daß die Levant Company die Bewaffnung der Türken fördert und christliche Schiffe plündert?«
Wie alt mag der Junge sein? fragte sich Keane. Er schätzte ihn auf Mitte Zwanzig. Damit wäre er zehn Jahre jünger als er selbst. Auch er hatte früher hohe Moralansprüche verfochten. »Doch – ein wenig schon«, antwortete er. »Unsere Regierung verbrennt Christen auf dem Scheiterhaufen, hat eine Königin enthauptet, die Christin war. Diese Dinge sind zu meinen Lebzeiten geschehen – und auch zu Ihren Lebzeiten, Mr. Marlowe. Die Feinheiten des Dogmas sind mir zu hoch, schließlich bin ich Kaufmann und nicht Theologe. Ich betrachte es als meine Pflicht, was immer für den Erfolg der Gesellschaft nötig sein sollte, zu tun. Es garantiert mir mein Überleben und auch das meiner Familie.« Er schaute zu seinem Besucher auf. »Sie wollen doch auch überleben, Mr. Marlowe, und ich nehme an, daß Sie, ebenso wie ich, alles dafür tun würden.« Thomas lag eine heftige Erwiderung auf der Zunge, aber er beherrschte sich. Keane hatte recht. Auch er wollte überleben, und deshalb empfahl es sich, in diesem Fall den Mund zu halten.
Sanft fügte John Keane hinzu: »Ich bin mit Ihrer Abänderung einverstanden, Mr. Marlowe. Ich gebe Ihnen freie Hand bei der Auswahl der Materialien und Handwerker.«
SECHSTER TEIL
1595
EIN DUFT WIE
AUS DEM PARADIES
Der Duft der Substanz ist süß, obwohl sie aus Dung gewonnen wird.
Reisebericht:
Fynes Moryson
Die ersten beiden Monate ihrer Ehe verbrachte Serafina unter anderem damit, den größten Schmutz aus Jacopo Caprianis Haus zu entfernen. Sie stellte neue Bedienstete an – eine Köchin, die auch die Aufsicht über die Dienstmädchen hatte, und einen neuen Buchhalter als Ersatz für den Betrüger Bastien. Manchmal band sie sich eine Schürze vor ihr Kleid und klopfte jahrzehntealten Staub aus Teppichen und Vorhängen. Meist jedoch saß sie im Kontor, um den intelligenten, aber nachlässigen Amadeo zu beaufsichtigen. An den Abenden widmete sie sich ihrem Mann.
Mit ihrer Gesundheit stand es nach wie vor nicht zum besten: Noch immer wurde sie gelegentlich von Übelkeit gepackt, und dann wieder überfiel sie eine solche Müdigkeit, daß sie im Stehen hätte einschlafen können. Serafina kämpfte verbissen gegen diese Anzeichen von Schwäche an, hielt sie vor ihrem Mann und dem Personal geheim. Es erschien ihr als Ironie des Schicksals. Abgesehen von den Masern damals in Algier, war sie immer kerngesund gewesen – und ausgerechnet jetzt, da ihre Lebensumstände sich so drastisch gebessert hatten, kränkelte sie.
Trotzdem setzte sie es durch, daß weniger Antilopentränen und mehr Seidenstoffe eingekauft wurden. Jacopo, dessen Interesse sich vom Geldverdienen abgewendet hatte, fand es mit der Zeit immer angenehmer, die Verantwortung für Haus und Geschäft seiner Frau zu überlassen. Pisa war nicht Marseille, und die Villa des Kaufmanns konnte sich nicht mit dem Heim messen, das Angelo ihr gestohlen hatte. Doch sie hatte die Gelegenheit bekommen, ihr Leben selbst zu gestalten, und war entschlossen, ihr Ziel unbeirrt zu verfolgen. Natürlich würde es einige Zeit dauern, aber die beträchtlichen Fortschritte, die sie bereits gemacht hatte, berechtigten zu Hoffnung.
»Ich will nur wiederhaben, was mir gehört«, hatte sie zu Thomas Marlowe gesagt, und sie würde keinen inneren Frieden finden, bis sie diesen Vorsatz in die Tat umgesetzt hatte. Sie wollte das Haus, die Firma und den Namen. Sie hatte sich die äußeren Voraussetzungen
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