Serafinas später Sieg
»Ganz Livorno ist auf der Suche nach Holz für Masten«, sagte John Keane. »Wir werden es bekommen, es dauert nur seine Zeit.«
»Inzwischen könnte ich mit der Garland nach Zakynthos segeln«, schlug Thomas vor. »Ich würde einen guten Preis für Ihr Zinn erzielen, John, und die Reise wäre eine Feuerprobe für das alte Mädchen.« Er tätschelte liebevoll den Hauptmast.
John Keane schüttelte den Kopf. »Zunächst erwartet Sie ein anderes Vergnügen: schöne Frauen, guter Wein und die besten Leckerbissen aus dem Mittelmeer. Die Repräsentanten der Levant Company sind zu einem Bankett eingeladen, das ein hochgeachteter Bankier in Lucca gibt.
Thomas starrte ihn einen Augenblick lang überrascht an, dann stöhnte er auf. »Fette Italienerinnen, unmusikalische Kinder, die darauf bestehen zu singen, und zu Tode gekochter Tintenfisch – ich weiß, was einem bei solchen Festen angetan wird. Nein, ich bleibe lieber auf meinem halbfertigen Schiff, spiele Karten und trinke billigen Rotwein.«
»Wie Sie es an jedem Abend in den vergangenen acht Wochen getan haben«, lächelte John Keane spöttisch. »Das Bankett findet am Freitag im Hause des Bankiers Merli satt. Die Gesellschaft steht in Geschäftsverbindung mit dem Bankhaus Merli. Ich muß hin, und«, er betrat die Gangway, »Sie müssen mit.«
Wie sich herausstellte, war das Programm noch schrecklicher, als Thomas es erwartet hatte. Es waren Jongleure engagiert worden und Feuerschlucker, und jemand hatte einen Affen mitgebracht, der in Ungnade fiel, als er Signor Merli in den Fuß biß. Der Bankier wollte ihn mit seinem Rapier erlegen, doch das Tier, das im Gegensatz zu seinem Widersacher keinen Claret getrunken hatte, entkam unverletzt, kletterte mißtönend kreischend an einem Vorhang hinauf und war den restlichen Abend nicht mehr dazu zu bewegen, wieder herunterzukommen. Außerdem war noch ein Zwerg da, der Seidenblumen zauberte – aus Kerzen, Ohren und Décolletés. Und natürlich fehlte auch die unvermeidliche Gruppe übergewichtiger Kinder nicht – allesamt Sprößlinge des Gastgebers –, die, begleitet von einer Schar kreischender Madrigalsängerinnen, eine Posse aufführten. Als das dickste Kind sich mit seinem Dreispitz auf eine Muschel aus Papiermache setzte, hörte man deutlich eine Naht reißen. Thomas verdrehte die Augen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte er sie längst gesehen. Es überraschte ihn nicht, die Caprianis an diesem Abend hier anzutreffen. Auch sie waren Angehörige der Kaufmannszunft wie John Keane und er selbst. Als Keane ihm die unwillkommene Einladung überbrachte, war ihm sofort klargewesen, daß er mit Serafina zusammentreffen würde. Er hatte sie gleich beim Betreten des Empfangssaales entdeckt. Sie stand neben ihrem Mann in einer Gruppe radschlagender Herren. Perlenschnüre und Bänder waren in ihre Haare geflochten, ein dunkelgoldfarbenes Kleid umschmeichelte ihren Körper. Thomas beschloß, nicht hinzugehen. Er wußte, daß er es nicht über sich bringen würde, sie lediglich förmlich kühl zu begrüßen. Er würde sie in Gegenwart der gesamten grotesken Gesellschaft zum Teufel wünschen, und das, hatte Thomas die Vernunft zu erkennen, wäre äußerst unklug.
Serafina war ebenso angetan wie überrascht gewesen, die Einladung von Signor Merli zu erhalten. Angetan, weil sie ihr die gesellschaftliche Anerkennung und Kontakte verschaffen würde, die sie so dringend brauchte, und überrascht, weil der Bankier die Caprianis seiner Aufmerksamkeit für wert hielt.
Als sie ihn begrüßte – er stand neben dem Marmorkamin in dem prächtigen Empfangssaal –, umklammerten seine dicken weißen Finger die ihren ein wenig zu lange, und sein Blick saugte sich mit unverhohlener Gier an ihrem Décolleté fest. Doch Serafina blieb gelassen. Sie hatte gelernt, ein derartiges Interesse nicht übereilt zurückzuweisen, und Jacopo merkte es nicht. Schließlich ließ der Bankier sie gehen, und sie gesellte sich erleichtert zu den anderen. Es ging ihr an diesem Abend besonders schlecht. Sie hätte dringend eine von Kara Alis Arzneien gebraucht. Das weiche Licht der Kandelaber erschien ihr grell, und ihr Magen überschlug sich.
Sie hatte mit Engelszungen reden müssen, um Jacopo zu veranlassen, die Bequemlichkeit seines Heims in Pisa gegen ein Gasthaus in Lucca einzutauschen, denn sie glaubte, daß dieses Bankett ihr von Nutzen sein könnte. Serafina atmete tief durch und fächerte sich Kühlung zu. Die Musik hatte von Saltarello zu Pavane gewechselt
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