Serafinas später Sieg
trank einen Schluck Wein, um Zeit zu gewinnen und ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Ohne Thomas zu beachten, wandte sie sich an Philippe Moireau. »Ich kannte die Guardis – aber das ist lange her.«
Sie warf einen Blick durch die Glastür. Nicht weit von ihnen tanzte Constanza mit Signor Merli. Das Kerzenlicht ließ ihre Narbe wie einen dunklen Faden auf heller Seide erscheinen. Jacopo schlief noch immer.
»Angelo«, sagte der englische Steuermann fröhlich. »Der Name von Signora Caprianis Bekanntem ist Angelo. Ein lieber, treuer Freund ist ein wahrer Segen, finden Sie nicht, meine Herren? Vielleicht kann der französische Herr hier Ihnen etwas Neues über den guten Angelo berichten, Signora.«
Sie dürstete danach, aber nicht auf diese Weise – nicht, während ihr Mann nur ein paar Meter entfernt saß und Thomas Marlowe danebenstand und zuhörte. Kalter Schweiß rann innen an ihrem Korsett entlang. Serafina klappte ihren Fächer auf – wenigstens konnte sie sich teilweise dahinter verstecken.
»Die Guardis?« Philippe zwirbelte nachdenklich die Feder, die von seiner Kappe hing. »Mit Angelo Guardi habe ich ein paarmal Geschäfte gemacht. Und Signor Merli kauft bei den Guardis ein, glaube ich. Sie stammen ursprünglich aus Florenz. Es war schon immer eine geachtete Firma, aber erst Angelo brachte sie wirklich zum Erfolg. Ich halte ihn für einen der reichsten Männer der Provence.«
»Womit handelt er?« fragte Thomas mit scheinbar nur mäßigem Interesse. »Mit Heringen oder mit Zinn? Oder vielleicht mit … wie heißen die Dinger doch gleich … ach ja, Antilopentränen?«
»Mit Tuch, Monsieur«, erwiderte Philippe Moireau kühl. »Die Guardis handeln seit jeher ausschließlich mit Stoffen.« Er, wandte sich wieder Serafina zu. »Allerdings heißt es, daß Angelo in letzter Zeit mit einigen Problemen zu kämpfen habe. Marseille ist politisch isoliert, und so ist es für die Händler nicht einfach, ihre Waren in den Norden zu bringen. Monsieur Casaulx ist kein Freund der Kaufleute – vor allem nicht der wohlhabenderen. Manche sagen, er habe den Neid der Bevölkerung noch geschürt.«
In Marseille hatte der Pöbel Kaufleute angegriffen, die in voller Bewaffnung und mit einer Leibwache durch die Straßen ritten. Serafina erinnerte sich noch gut an die beängstigend aggressive Stimmung damals im Mai. Die Worte des Franzosen ließen ihr Herz höher schlagen. Es heißt, daß Angelo in letzter Zeit mit einigen Problemen zu kämpfen habe. War es möglich, daß ihm die politischen Wirren zum Verhängnis würden?
Der Engländer starrte Serafina an. Die Belustigung war aus seinen Augen verschwunden. Serafina umklammerte ihren Fächer so fest, daß sie fürchtete, das zarte Elfenbein werde zerbrechen. An Monsieur Moireau gewandt, fragte sie: »Sprechen Sie von einem drohenden Bankrott, Monsieur? Bei den Guardis, meine ich.«
Der Franzose lächelte. »Hoffen Sie darauf, die Firma günstig erwerben zu können, Madame?«
Sie hörte Thomas Marlowe lachen. Es war ein häßliches Geräusch. Serafina senkte den Blick, um die Hoffnung, Erregung und Wut zu verbergen, die in ihren Augen zu lesen sein mußte. »Die Firma meines Mannes ist im Augenblick noch recht bescheiden, Monsieur. Wir handeln hauptsächlich mit Kurzwaren – Bändern, Borten und Kokarden. Unser Seidenangebot ist derzeit noch recht begrenzt, aber Jacopo und ich hoffen, diesen Zweig des Geschäftes bald erweitern zu können.« Sollte er sehen, was er mit dieser Antwort anfangen konnte.
Signor Datinis Miene drückte eine Mischung aus Erheiterung und Bewunderung aus. »Dann müssen Sie ein Schiff kaufen, Signora. Jeder größere Seidenhändler verfügt über eine ganze Flotte. Kaufen Sie eines der Schiffe, wie sie im Norden gebräuchlich sind – mit einer Galeere kämen Sie nicht um das Kap.«
Der Engländer, der für Serafinas Empfinden viel zu nah neben ihr stand, mischte sich erneut ein: »Signora Capriani und ich haben uns bereits über dieses Thema unterhalten, nicht wahr, meine Liebe? Sollen wir den Herren von unserem Gespräch erzählen, oder«, er griff nach ihrer Hand, »sollen wir lieber tanzen?«
Signor Datini starrte den Steuermann feindselig an. »Ich glaube nicht, daß Signora Capriani tanzen möchte, sie ist müde«, erklärte er in scharfem Ton.
Serafina sah, daß Thomas zum Sprechen ansetzte, und kam ihm zuvor. Sie traute ihm nicht: Seine Zunge war durch Alkohol und Ärger zu sehr gelockert. »Ich danke Ihnen für Ihre
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