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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Fürsorge, Signor Datini«, sagte sie liebenswürdig, »aber ich tanze gerne mit Signor Marlowe. Ich bin nicht mehr müde, und außerdem sind wir alte Bekannte.« Thomas hatte ihre Hand nicht losgelassen. Jetzt umfaßte er sie noch fester und führte Serafina vom Balkon auf die Tanzfläche. Plötzlich erschien ihr das Kerzenlicht nicht mehr golden, sondern wie ein schwefelgelber Nebel, der die Ballgäste alt und häßlich erscheinen ließ. Sie hatte den italienischen Seidenhändler belogen. Sie glaubte, noch niemals in ihrem Leben so müde gewesen zu sein. Ihre Füße waren bleischwer, doch sie zwang sie, die vorgegebenen Schritte auszuführen. Thomas tanzte, als habe er nie etwas anderes getan. Er hielt sie fest, wenn Nähe verlangt wurde, und ließ sie los, wenn der Tanz vorschrieb, daß sie sich unabhängig von ihm bewegte. Als er sie bei der Pavane an sich drückte, hätte sie am liebsten den Kopf an seine Schulter gelegt und die Augen geschlossen. Sie wollte weinen und getröstet werden.
    Und dann, während noch immer die Musik durch den Raum flutete, blieb er plötzlich stehen. »Sie sind wirklich müde«, sagte er sanft. »Warum haben Sie das nicht gesagt?«
    »Sie haben mir keine Wahl gelassen, Monsieur, ich mußte Sie zum Schweigen bringen.«
    Er berührte ihre Wange mit einer Fingerspitze: Sie färbte sich rot. »Sie sollten sich nicht dieses Zeug aufs Gesicht schmieren«, tadelte er.
    Er schien es nicht lassen zu können, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen! Sie löste sich von ihm, sie konnte seine Nähe nicht mehr ertragen. »Es geht Sie überhaupt nichts an, was ich tue, Monsieur Marlowe«, zischte sie. »Wenn es mir einfallen sollte, mein Gesicht in allen Regenbogenfarben anzumalen, werde ich auch das tun, ohne Ihre Erlaubnis einzuholen!«
    Sie standen inmitten der Tanzenden, doch es schien ihnen, als seien sie allein auf der Welt, als existierten weder Jacopo noch die Merlis noch die Gäste – noch Angelo. Dann sagte Thomas: »Hafenhuren benutzen Mennige, und sie sterben daran.« Seine Miene drückte eine Mischung aus Zorn und Besorgnis aus. »Außerdem haben Sie es gar nicht nötig.«
    Der Affe sprang von Vorhangstange zu Vorhangstange. Sein aufgebrachtes Kreischen übertönte die sanfte Musik. Jemand mußte ihn aufgestört haben. Thomas Marlowe hatte Serafina auf eine Stufe mit den Hafenhuren gestellt, doch sie stand immer noch vor ihm, hatte ihn nicht ins Gesicht geschlagen und auch nicht stehengelassen. »Sie verkaufen Ihre Geschicklichkeit, Monsieur Marlowe«, sagte sie kalt. »Sie verkaufen Ihre Fähigkeit, ein Schiff zu steuern und anhand der Sterne einen Kurs berechnen zu können. Ich verkaufe meinen Charme, mein Gesicht und meinen Körper. Etwas anderes interessiert die Männer an einer Frau nicht. Ich gebe ihnen, was sie wollen – heute abend zu dem Zweck, Informationen zu bekommen.« Sie schaute zu ihm auf. In ihren Augen brannte ein verzehrendes Feuer.
    »Sie haben mich zwar nicht in den Genuß Ihrer Vorzüge kommen lassen, aber ich werde Ihnen trotzdem eine Information geben, die Sie vielleicht noch nicht bekommen haben. Sie ist recht interessant – ich bin sicher, Sie werden mir zustimmen.« Sie sah ihn abwartend an. »Es gibt da eine Wette«, sagte er leise. »Darüber, ob Ihr greisenhafter Ehemann es schaffen wird, Sie noch vor Jahresende zu schwängern.«
    Kurz darauf verließ Thomas Marlowe den Palazzo Merli. Noch immer leuchtete der Abdruck von Serafinas Hand feuerrot auf seiner Wange.
    Diesmal war er durch den Alkohol zu langsam gewesen, um sie abzufangen – aber noch nüchtern genug, um nicht zurückzuschlagen. Die Leute hatten sie angestarrt und gewispert und gekichert, sich jedoch nicht eingemischt. Jacopo schnarchte noch immer, und Thomas hatte sich eiligst entfernt.
    Die Piazza lag verlassen da – bis auf zwei Gestalten, die in einiger Entfernung vor ihm hergingen. Es hatte leicht zu regnen begonnen. Thomas machte sich auf den Rückweg zu dem Gasthaus, in dem er abgestiegen war.
    Er konnte sich nicht leiden, er konnte Italien nicht leiden – er sehnte sich danach, den Staub der Toskana von seinen Schuhen zu schütteln und nur noch die unendliche See zu sehen. Das Leben an Land zehrte an seiner ohnehin begrenzten Geduld und blähte kleine Vorkommnisse zu unverhältnismäßiger Größe auf.
    Die beiden Männer vor ihm hatten das andere Ende des Platzes erreicht. Thomas kam die Galle hoch, als er einen im Licht der dort brennenden Fackel an dem türkisfarbenen Samtwams

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