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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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und den scharlachroten Federn an der Kappe erkannte: Tomaso di Credi, der ihm empfohlen hatte, sich an der geschmacklosen Wette zu beteiligen, von der er, Thomas, später Serafina erzählt hatte!
    Thomas hatte plötzlich einen unangenehmen Geschmack im Mund. Er beschleunigte seine Schritte, bis er beinahe rannte. In seinem Innern loderte ein Feuer, das gelöscht werden mußte. Die Männer, an denen er seine Wut auszulassen gedachte, waren Italiener aus der sogenannten besseren Gesellschaft – eitle Gecken, die sich mehr auf Wortduelle verstanden als auf Schlägereien. Thomas konnte es kaum erwarten, Tomasi di Credi seine Schmachtlocke abzureißen und das gepuderte Gesicht in den Straßenschmutz zu drücken. Mit leuchtenden Augen, in denen Rachelust brannte, suchte er nach dem beleidigendsten Schimpfwort, das er auf italienisch kannte, und rief es seinem Feind hinterher.
    Als die Kurtisane sich später auf den Heimweg machte, sah sie am anderen Ende der Piazza eine zusammengesunkene Gestalt in einem Hauseingang. Constanza hatte ein zartes Tuch über Kopf und Schultern geworfen, um sich gegen den Nieselregen zu schützen. Es war ein Geschenk von Galeazzo – silberfarben. In Venedig mußten die Kurtisanen gelbe Tücher tragen, damit jeder sofort ihre Profession erkannte. Constanza hatte es nie bedauert, Venedig verlassen zu haben.
    Sie wollte schon vorbeigehen, überlegte es sich dann jedoch anders, trat näher heran und stellte fest, daß sie den Mann kannte. Die dunklen Locken, der verbeulte Filzhut, der neben seinem Eigentümer lag – es war der gutaussehende Bursche, der mit John Keane, dem Bevollmächtigten der English Levant Company, zu dem Bankett gekommen war. Der Engländer, den die kleine Capriani vor aller Augen geohrfeigt hatte. Er war sichtlich betrunken gewesen.
    Constanzas Erfahrungen hatten sie gelehrt, vorsichtig zu sein. Sie traute diesem Jungen zwar nicht zu, daß er ihr etwas antun würde, doch sie hielt sich sicherheitshalber auf Armeslänge von ihm fern und umfaßte den Griff des Stiletts, das sie wie stets in den Falten ihres Kleides verborgen bei sich trug. Dann erkannte sie, daß der Engländer nicht dort lag, um seinen Rausch auszuschlafen. Wams und Hose waren zerfetzt und völlig verdreckt – und vom Haaransatz rann ein dünnes rotes Rinnsal zu dem schöngeschwungenen Mund.
    Ohne auch nur einen Gedanken an den Preis zu verschwenden – oder an den Mann, der es ihr geschenkt hatte –, zog sie ihr Tuch vom Kopf und betupfte damit vorsichtig die Verletzung. Sie wußte zwar nicht, ob er sie hören konnte – seine Augen waren geschlossen –, aber sie sprach leise beruhigend auf ihn ein. Kurz darauf flatterten die Lider des Engländers, und dann öffnete er die Augen – leuchtend blaue Augen, wie sie bereits bei dem Bankett bemerkt hatte – und starrte die Frau an, deren Gesicht dicht vor dem seinen war.
    »Ich habe kein Geld«, brachte er mühsam auf italienisch hervor.
    Sie zuckte nicht mit der Wimper. »Ich biete Ihnen meine Gesellschaft an, mein Freund – mehr nicht«, antwortete sie kühl.
    Die Lider senkten sich wieder, und sie dachte schon, er würde ihr Angebot ablehnen, doch er fragte: »Weshalb?« Es hätte viele schmeichelhafte Antworten darauf gegeben, doch sie gab ihm die ehrliche: »Weil der Abend langweilig war – verdammt langweilig –, und ich glaube, daß Sie ein interessanter Gesprächspartner sein können, wenn Sie wieder nüchtern sind.«
    Er lachte und zuckte vor Schmerz zusammen. Dann kam er schwankend auf die Füße und ging auf sie gestützt langsam in die Dunkelheit.
    Es gibt da eine Wette – darüber, ob Ihr greisenhafter Ehemann es schaffen wird, Sie noch vor Jahresende zu schwängern. Serafina hatte Thomas schallend geohrfeigt und war davonstolziert. Signor Merli hatte sie höchstpersönlich hinausgeleitet – und die Gelegenheit genutzt, um ihr ein beleidigendes Angebot zu machen. Zitternd vor Zorn hatte sie geantwortet: »Nein, danke – ein alter Mann im Bett genügt mir!« Damit hatte sie sich auf dem Absatz umgedreht, Jacopo geweckt und mit ihm den Palazzo verlassen.
    Später, in der Stille und Dunkelheit ihres Schlafzimmers in dem Gasthaus, bereute sie ihre Reaktion. Es gab diplomatischere Möglichkeiten, einen mächtigen Mann zurückzuweisen. Doch dann vergaß sie Galeazzo Merli – ihre Gedanken kehrten zu dem Alptraum zurück, in den Thomas Marlowe sie geschleudert hatte. Vorhin, mitten auf der Tanzfläche, hatte Serafina die Wahrheit erkannt. Es

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