Serafinas später Sieg
werden von neidischen Mitbürgern bedroht – vielleicht sogar mit Unterstützung von Signor Casaulx. Marseille ist im Augenblick ein überaus gefährliches Pflaster, Signor, und die Geschäftsleute haben ständig mit allen möglichen Widrigkeiten zu kämpfen.«
Gianfranco erinnerte sich, daß sie bereits auf dem Bankett auf einen Bankrott des Hauses Guardi angespielt hatte, und mußte zugeben, daß die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen war. Bei dem herrschenden politischen Durcheinander konnte ein Geschäft in Monaten, ja sogar Wochen, ruiniert werden. Der Verlust auch nur einer bestellten Ladung an Korsaren, Briganten oder durch einen Sturm konnte selbst einen erfolgreichen Geschäftsmann seiner Existenz berauben. Gianfranco stellte fest, daß das Schicksal des Hauses Guardi ihn bei weitem nicht so interessierte wie Signora Caprianis reizvolles Gesicht und ihre zierliche Gestalt. Plötzlich merkte er, daß ihr Angestellter ihn feindselig anstarrte.
»Sie müssen sich auch darüber im klaren sein«, fuhr Serafina fort, »daß die besten Stoffe der Guardis – gewissermaßen als Botschafter – nach Paris, London und Brügge kommen. Demzufolge können sie Ihnen nur die zweite Wahl anbieten.« Sie ließ ihm Zeit, diese Eröffnung zu verdauen, und fügte dann hinzu: »Was Sie hier auf dem Tisch sehen, ist erste Wahl, Signor. Wir führen keine schlechtere Qualität. Wie Sie wissen, haben wir bis vor kurzem nur mit Zierat und Halbedelsteinen gehandelt, doch mein Mann hat die Absicht, sein Geschäft zu erweitern, indem er seine zahlreichen Kontakte nutzt. Ich bin sicher«, ihr Blick suchte den seinen, »daß Ihr Herr das gutheißen wird.«
»Oh, kein Zweifel – und Ihr Angebot ist in der Tat exzellent.« Er suchte krampfhaft nach den richtigen Worten. »Ich sehe da nur ein kleines Problem …« Serafina hatte sich an den Tisch gesetzt und schaute fragend zu ihm auf. Gianfrancos Mund war völlig ausgetrocknet. »Es ist nur … ich bin nicht sicher, ob … ob …« Verzweiflung zeigte sich auf seinem Gesicht.
Er hatte sich weiß Gott nicht verständlich ausgedrückt, aber Serafina sagte: »Sie sind nicht sicher, ob es Signor Merli recht wäre, daß Sie mit einer Frau Geschäfte machen.«
Er nickte unbehaglich. Das ist unmöglich, würde der Bankier sagen. Eine Frau kann niemals ein Geschäftspartner sein.
Signora Capriani senkte die Lider. »Mein Mann konnte zwar heute nicht kommen, doch ich versichere Ihnen, daß er die Zügel fest in der Hand hält, Signor. Schließlich«, ein hinreißendes Lächeln ließ ihr Gesicht erstrahlen, als sie es Gianfranco entgegenhob, »erwarten Sie doch wohl nicht von mir, daß ich mit Zahlen umgehen kann – ich gebe nur weiter, was mein Mann mir aufgetragen hat. Amadeo kann Ihnen bestätigen, daß ich überhaupt keinen Sinn für Zahlen habe.«
Der arme Angestellte lief dunkelrot an und murmelte etwas Unverständliches.
»Mein Mann«, fuhr sie fort – sie konnte ihn gar nicht oft genug ins Gespräch bringen, »betraut mich lediglich, wenn er unpäßlich ist, damit, die Kunden zu besuchen. Ich hoffe sehr, daß Sie das nicht als unziemlich empfinden.« Ihr Lächeln war einem Ausdruck mädchenhafter Schüchternheit gewichen. Die dichten schwarzen Wimpern flatterten, die vollen Lippen zitterten leicht. »Oder gar als beleidigend.«
»Aber nicht im entferntesten!« Gianfranco wäre am liebsten vor ihr auf die Knie gesunken und hätte ihre Hände geküßt. »Bitte vergeben Sie mir, ich wollte Sie auf keinen Fall kränken, das versichere ich Ihnen.« Er sah zu, wie sie ihr Glas zum Mund führte und einen behutsamen Schluck zu sich nahm.
»Was werden Sie also tun?« fragte sie.
»Ich werde meinem Arbeitgeber empfehlen, den Vertrag zu unterschreiben.« Die Worte waren heraus, bevor er sich über die Konsequenzen klargeworden war, doch Gianfranco stellte fest, daß ihn das überhaupt nicht kümmerte. Er tätschelte Serafinas zarte Schulter. »Für den Anfang auf ein Jahr, aber er kann verlängert werden, wenn wir mit Ihrer Firma zufrieden sind, woran ich keinen Zweifel hege.«
Die junge Signora nickte dankbar und verabschiedete sich kurz darauf. Der Verwalter beobachtete vom Fenster aus, wie der junge Amadeo der kleinen verschleierten Gestalt in die Kutsche half. Er lächelte voller Vorfreude auf ihre Geschäftsbeziehung zufrieden in sich hinein.
Gianfranco wäre sehr überrascht gewesen, wenn er das Gesicht unter dem Schleier gesehen hätte. Serafinas Augen strahlten
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