Serafinas später Sieg
wie die Erklärung, daß ihr Platz in der Küche oder auf dem Rücken im Bett liegend sei. Sie aß hastig, wenn sie Zeit dazu fand, und schlief ein, sobald ihr Kopf das Kissen berührte. Sie führte die Bücher, überprüfte die Angestellten, wenn sie es nicht erwarteten – und sie lebte gefährlich. So sehr Jacopo sie vergötterte – sein Geiz ließ es nicht zu, ihr eine ausreichende Bewachung auf die Reisen mitzugeben.
Der hübsche Verwalter Gianfranco, der Serafina auf dem Bankett der Merlis so angebetet hatte, goß der Besucherin Wein ein. Ihr Blick wanderte durch den Raum und blieb dann an dem jungen Mann hängen. Er fragte sich, warum ihn diese ausdruckslosen Augen derart faszinierten.
Als ihm Besuch aus dem Hause Capriani gemeldet worden war, hatte Gianfranco den alten Mann zu sehen erwartet, nicht seine junge Frau. Jacopo Capriani nahm die Dienste der Merli-Bank schon seit vielen Jahren in Anspruch. Der Kaufmann war ein geachteter Kunde. Gianfranco hatte wie alle anderen gelacht, als er von Jacopo Caprianis Verheiratung erfuhr. Wie alle hatte er angenommen, daß der Greis auf eine Schlampe hereingefallen war, die mit dem erstbesten Diener ins Bett ginge, sobald ihr Mann ihr den Rücken kehrte.
Entsprechend überrascht war er gewesen, als er die Signora auf dem Bankett kennenlernte.
Es bereitete ihm Vergnügen, ihre zierlichen Hände dabei zu beobachten, wie sie liebevoll Seide ausbreiteten, ihre tiefe, sanfte Stimme zu hören, mit der sie sich für ihren unangekündigten Besuch entschuldigte und den Grund dafür erklärte. Sie war gekommen, um etwas zu verkaufen, nicht um Geld zu borgen. Es oblag Gianfranco unter anderem, für die Bekleidung der Dienstboten des Merli-Haushalts zu sorgen, und er versuchte im Sinne seines Herrn die Kosten hierfür möglichst niedrig zu halten. Er drängte den Jungen beiseite, den die Signora mitgebracht hatte, um ihre Nähe unmittelbarer genießen zu können. »Der golddurchwirkte Stoff kommt aus Florenz, der Damast aus der Levante«, sagte sie. »Und dazu passend bieten wir wie üblich Bänder und Spitze an.« Serafina hielt ihm ein Stoffmuster hin, damit er es befühlen konnte. Die Seide war blau – nein, einfach »blau« wurde der Farbe nicht gerecht: Azur, Ultramarin, Himmelblau, Malve und Türkis – ein Augenschmaus in tausend Schattierungen.
Gianfranco legte den Stoff auf den Tisch zurück und strich andächtig ein letztes Mal über das edle Gewebe. »Ich weiß nicht …« Seine Stimme erstarb.
»Ah.« Sie sagte nur dieses eine Wort, das fast wie ein Seufzer klang, und begann zusammenzuräumen.
»Die Stoffe sind wirklich herrlich, Signora«, versicherte der Verwalter hastig und hielt eine Bahn türkisfarbener Seide gegen das Licht. »Ganz exzellent! Aber …« Wieder brach er ab.
Serafinas Begleiter trat vor, um ihm den Stoff aus der Hand zu nehmen, und sie sagte: »Haben Sie vielleicht irgendwelche Bedenken, daß wir den Vertrag nicht erfüllen könnten?«
Sie sprach so leise, daß Gianfranco sie kaum verstehen konnte. »Signora – ich …«
»Das ist ganz verständlich, Signor, aber gestatten Sie mir bitte, Ihre Befürchtung zu zerstreuen.« Signora Capriani faltete die Hände vor ihrem karminroten Samtkleid, dessen Décolleté mit Spitze eingefaßt war. Gianfranco, der sich auf diesem Gebiet auskannte, nahm an, daß der Samt aus Alexandretta stammte und die Spitze aus Brügge. »Wir können im Augenblick zwar nicht direkt in Scanderoon einkaufen, aber Neapel, Florenz und Livorno stehen uns offen. Wir haben vor, im nächsten Frühjahr eigene Weber einzustellen. Wenn Sie sich vertraglich verpflichten, Ihre Seide in den nächsten ein, zwei Jahren bei uns zu kaufen, kann ich Ihnen einen guten Preis machen.« Sie nannte eine Zahl, die Gianfrancos Augen aufleuchten ließen und Amadeo um ein Haar einen Entsetzensschrei entlockt hätte.
Der Preis war mehr als annehmbar, die Seide von höchster Qualität – Gianfranco war versucht, auf den Handel einzugehen.
»Und bedenken Sie bitte, was Signor Datini über Ihren derzeitigen Lieferanten, Angelo Guardi, berichtete«, fügte Serafina ihrer Argumentation noch einen weiteren Trumpf hinzu. Sie trat ans Fenster. Sonnenlicht überflutete sie.
Gianfranco sagte: »Wir kaufen schon viele Jahre bei den Guardis, Signora, sie haben uns nie Anlaß zur Klage gegeben.«
Sie lächelte liebenswürdig. »Das bezweifle ich nicht, mein Guter. Doch wie Signor Datini ausführte, ist Marseille derzeit isoliert, und die Kaufleute
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