Serafinas später Sieg
entsprechen. Der Steuermann war aus Lucca mit einem blaugeschlagenen Auge und einer eindrucksvollen Sammlung von Schürf- und Platzwunden zurückgekehrt. Und seitdem er sich einverstanden erklärt hatte, als Gegenleistung für die Finanzierung der Kingfisher für die Gesellschaft zu arbeiten, war er angespannt wie eine Bogensehne. Die Tatsache, daß Thomas sein geliebtes Schiff für Wochen in fremden Händen zu lassen bereit war, zeigte, wieviel ihm an dieser Reise lag. Keane wollte den Mann, und er wollte die Kingfisher – und entschloß sich kurzerhand, ein paar Regeln zu beugen, um nicht beide zu verlieren. Außerdem hatte der Junge recht. Wenn nichts dazwischenkäme, könnte die Garland noch vor dem Winter mit einer gewinnbringenden Ladung Korinthen nach London zurücksegeln.
Die Kingfisher wurde der Obhut von John Keane unterstellt. Thomas nahm William Williams und Cristofano mit, für den ein paar Wochen auf See eine lehrreiche Erfahrung wären. Thomas wurde in aller Schnelligkeit zum Kapitän befördert. John Keane stand am Hafen, bis die Garland nur noch ein schwarzer Punkt am Horizont war, und hoffte inständig, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Thomas Marlowe hatte diesbezüglich keinerlei Bedenken. Es war absolut notwendig für ihn gewesen, die Toskana zu verlassen. An Land festgehalten, ging er an einem Abgrund entlang, in den er an dem Abend des Banketts beinahe gestürzt wäre. Während er durch die Straße von Messina segelte, war er tagsüber zu beschäftigt, als daß seine Gedanken ihn lange hätten belästigen können. Wenn er auf dem Vordeck stand und auf die tiefblaue See hinausschaute, war er überzeugt, richtig gehandelt zu haben. In Italien hatte er begonnen, jeden und alles zu hassen – sogar die Kingfisher –, doch hier draußen war die Welt wieder in Ordnung für ihn.
Nachts jedoch lagen die Dinge anders. Unter der sternenübersäten Kuppel des Himmels, wenn die einzigen Geräusche das leise Knarren der Rahen und das Rauschen der Wellen waren, gestand er sich ein, daß diese Reise nur eine kurze Atempause darstellte, nach der er sich seiner unerfreulichen Situation wieder stellen müßte. Es gab nichts daran zu rütteln. Der Diebstahl des Goldschatzes von der Toby hatte ihm kein Glück gebracht – er stand erneut im Dienste der Herren, denen er für immer hatte den Rücken kehren wollen. Für fünf Jahre! Und dann war da noch Serafina …
Die leere See um ihn herum bot keine Ablenkung, die Erinnerung an sein Gespräch mit der Kurtisane Constanza konnte sich ungehindert in seinen Gedanken ausbreiten. Nachdem sie Thomas aufgelesen hatte, nahm sie ihn in ihre Wohnung mit. Sie war elegant, aber nicht übertrieben eingerichtet, und es gab keine Dienerschaft, außer einer Zofe und einem Pagen. Constanza gab Thomas Wasser und Tücher, um seine äußerlichen Wunden zu verarzten, und bot ihre Gesellschaft als Balsam für die Schläge an, die sein Stolz hatte einstecken müssen. Sie war freundlich und fragte ihn nicht aus – und letzteres trieb ihn dazu, sich wie ein Narr zu benehmen. Noch unter dem Einfluß des Alkohols, körperlich angeschlagen und demoralisiert, schüttete er der Kurtisane sein Herz aus. Sie hörte ihm schweigend zu und konfrontierte ihn anschließend brutal mit seinen wahren Gefühlen. Er hatte seitdem immer wieder versucht, ihre Worte als Unsinn abzutun, doch ein Satz von ihr ließ ihn nicht mehr los: »Es ist ganz einfach, Signor Marlowe – Sie lieben sie.«
Zuerst hatte er gelacht, dann war er wütend geworden. Nicht auf Constanza, die ihm vor Augen geführt hatte, was er nicht hatte sehen wollen, sondern auf das Schicksal, das ihn zu einer lächerlichen Figur machte. Er war schon des öfteren verliebt gewesen – in Faith Whitlock, in eine Blumenverkäuferin vor der St. Paul's Cathedral, in ein Serviermädchen im Gasthaus seines Bruders –, und es war jedesmal eine berauschende Mischung aus Sympathie und Lust gewesen. Aber niemals Liebe. Er hatte sich die Mädchen ausgesucht, ihnen den Hof gemacht, sie herumgekriegt und die Folgen genossen.
Bei Serafina war alles anders. Weder hatte er sie sich ausgesucht, noch die Beziehung genießen können. Sie war ein eiskaltes, berechnendes Geschöpf, das seine gesamten Liebesreserven an den Vater und einen verbrecherischen Kusin verschwendet hatte. Ihre einzigen Ziele waren Rache und die Wiedergewinnung ihres Besitzes. Und um diese zu erreichen, würde sie jeden Menschen, der ihr dabei von Nutzen sein
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