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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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ich erst einmal hier raus sein.« Plötzlich kehrte die Unruhe zurück, die das Eingesperrtsein mit sich brachte. Katharina stand auf, marschierte eine Weile in der Zelle umher, dann warf sie sich auf die Bank und blies die Wangen auf.
    Plötzlich war ein leises Husten zu vernehmen.
    Richard runzelte die Stirn. »Ist da wer?«
    »Ja«, kam eine geisterhafte Stimme aus dem hinteren Teil der Zelle.
    Sterner stand auf, griff an die Stelle, an der er üblicherweise seinen Dolch trug. Dann erst schien ihm einzufallen, dass Sebald ihn entwaffnet hatte, und er ließ die Hand sinken. »Wer seid Ihr?«
    »Mein Name ist Joachim Gunther.« Die Stimme klang dumpf, aber plötzlich wirkte sie nicht mehr unheimlich, sondern, im Gegenteil, überaus menschlich.
    »Das ist der Gefangene in einer der Todeszellen«, sagte Katharina.
    Sterner nahm die Laterne, hielt sie in die Höhe und leuchtete damit in die hintere Ecke des Verlieses.
    Dort, ungefähr zwei Handbreit über dem Boden, befand sich ein quadratisches Loch in der Wand. Es sah aus, als habe jemand einen einzelnen Stein aus der Mauer gebrochen. Durch dieses Loch drang Gunthers Stimme.
    Katharina krabbelte zu ihm. Das Loch war kaum handtellergroß, und auch als sie das Gesicht ganz nah brachte, konnte sie wegen der dicken Mauern nicht besonders viel erkennen. Etwas bewegte sich in der anderen Zelle. Ein Fuß war kurz zu sehen, dann ein Knie und schließlich der Teil eines Gesichtes.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Gunther.
    Katharina nannte ihm ihren Namen.
    »Und der andere? Ich konnte Euch reden hören. Da ist noch jemand mit Euch in der Zelle. Ihr seid aber nicht ebenfalls zum Tode verurteilt, oder?«
    Es war üblich, den zum Tode Verurteilten eine Wache mit in die Zelle zu geben, einen Lochwächter, der dafür zu sorgen hatte, dass der Gefangene nicht kleinmütig wurde und sich selbst umbrachte, bevor der Henker der Gerechtigkeit Genüge tun konnte. Katharina strengte sich an, etwas zu erkennen, aber außer Gunthers halbem Kopf sah sie nichts. »Nein«, beantwortete sie die Frage. »Bei mir ist ein ... Freund.« Sie warf einen Blick über die Schulter in Sterners Gesicht.
    »Nun, bei mir auch, nicht wahr, Paul?«, sagte Gunther.
    Zur Antwort erhielt er nur ein vages Brummen, und er quittierte es mit einem leisen Lachen. »Paul ist Lochwärter«, erklärte er Katharina und bestätigte damit ihre Vermutung, dass auch er nicht allein war.
    »Ihr meintet, Ihr konntet uns reden hören«, sagte Katharina. »Habt Ihr auch verstanden, was wir gesprochen haben?«
    »Undeutlich. Aber Ihr braucht Euch nicht zu sorgen. Bei mir sindEure Geheimnisse sicher.« Wieder lachte er, und es klang in Katharinas Ohren sehr unpassend; fröhlich und vergnügt. »Spätestens morgen sowieso.«
    »Ihr redet sehr gelassen über Euren Tod.«
    »Stimmt.«
    »Was genau wirft man Euch vor?«
    »Oh, das ist eine längere Geschichte.« Wieder lachte Gunther, und Katharina begann sich Gedanken darüber zu machen, ob er in der Finsternis hier unten vielleicht verrückt geworden war. Wie viele Formen des Wahnsinns gab es?, fragte sie sich und musste plötzlich an Faro denken.
    »Erzählt sie mir«, bat sie.
    »Gerne.« Joachim Gunther berichtete, wie er von einem Nachbarn der Zauberei angeklagt worden war. Angeblich, so der Mann, habe er sich unsichtbar machen können und sei an zwei Orten gleichzeitig gewesen. Also hatte der zuständige Lochschöffe ihn zu den Vorwürfen befragt. Irgendwie war ihm dabei der Verdacht entschlüpft, Gunther könnte vielleicht geheimes Wissen über die Felsengänge unter der Stadt besitzen.
    »Er meinte, das sei eine irdische Erklärung dafür, warum ich solche Fähigkeiten besäße.« Katharina sah, wie Gunter sich bewegte. »Wie dem auch sei, ich habe schließlich zugegeben, die Felsengänge zu kennen. Und mehr noch: Ich habe sogar behauptet, sie für den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach ausspioniert zu haben.«
    »Aber warum?«, rief Katharina aus. »Sie werden Euch töten für etwas, das Ihr überhaupt nicht getan habt!«
    »Stimmt.«
    »Ich begreife das nicht!«
    Gunther beugte sich zur Seite und brachte sein Gesicht dicht an die Öffnung. »Gibt es etwas in Eurem Leben, für das Ihr ohne zu zögern sterben würdet?«, wollte er wissen.
    Die Frage überraschte Katharina. Sie musste eine Weile nachdenken, bevor sie langsam den Kopf schüttelte. »Es gab mal etwas – jemanden, aber er ist tot.« Halb erwartete sie, bei dem Gedanken an Egbert von dem altvertrauten scharfen Schmerz

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