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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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in alle Teile seines Leibes aus. Richard hustete. »Der Mord ist äußerst seltsam gelagert«, gelang es ihm zu sagen, und dann erzählte er Pömer die Sache mit den Schwanenflügeln. Katharina und ihre Verwandtschaft mit dem Toten erwähnte er dabei mit keinem Wort.
    Der Getreidehändler kehrte zu dem Tablett zurück, das er auf einem kleinen Tischchen abgestellt hatte, goss auch sich ein Glas voll und stürzte die goldene Flüssigkeit in einem Zug hinunter. »Darum also dieser Aufruhr überall in der Stadt«, hörte Richard ihn murmeln, nachdem er tief Luft geholt und sich gegen die Brust geschlagen hatte. »Die Nachricht von der geflügelten Leiche hat inzwischen wahrscheinlich den letzten Winkel erreicht.«
    »Es ist aber noch nicht alles«, fügte Richard hinzu.
    »Nicht alles?« Pömer steckte den Glasstöpsel wieder in die Karaffe und sah Richard fragend an.
    Und Richard erzählte ihm von den drei toten Inquisitoren. Das endlich ließ Pömer in einen der Lehnstühle plumpsen.
    Er fächelte sich Luft zu. Plötzlich war sein Gesicht puterrot. »Was für eine Katastrophe!«, hauchte er.
    Richard ging zu ihm, setzte sich in den zweiten Stuhl und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab.
    »Konntet Ihr in Erfahrung bringen, ob die Inquisitoren unseretwegen hier waren?«, fragte Pömer.
    Richard zuckte die Achseln. »Ich konnte herausfinden, dass einer von ihnen offenbar ein Medicus war.«
    »Hm«, machte Pömer. »Ich kenne den Prior ein wenig. Ich werde sehen, ob ich etwas aus ihm herausbekommen kann. Unauffällig natürlich. Aber was machen wir mit diesem toten ...« Er zögerte. »... Engel?«
    Richards Gedanken wanderten zu dem Wahnsinnigen im Lochgefängnis. »Der Gefährte des ermordeten Röhrenmeisters wurde bereits festgenommen und sitzt im Loch. Zeuner verdächtigt ihn, der Mörder zu sein. Er wurde offenbar mit dem Messer in der Hand neben der Leiche gefunden.«
    Pömer sah auf. »Oh. Das ist doch gut! Dann können wir davon ausgehen, dass Zeuner diese Untersuchung bald abschließt?«
    »Vielleicht. Es gibt nur ein Problem bei der ganzen Sache.« Richard erzählte von Faros Wahn. »Das bedeutet, dass es wahrscheinlich unmöglich ist, aus ihm ein Geständnis herauszubekommen.«
    Pömer stöhnte. »Und das heißt, dass man ihn nicht verurteilen kann! Das wäre eine Katastrophe für Nürnberg. Ein solcher Mord muss schnell und erbarmungslos durch eine öffentliche Hinrichtung gesühnt werden, sonst reagieren die Menschen völlig kopflos. Besteht die Möglichkeit, dass dieser Röhrenmeister bald wieder zu sich kommt?«
    Richard erinnerte sich an Faros Zustand. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dachte er im Stillen.
    »Vielleicht besinnt er sich schneller, wenn man ein bisschen nachhilft«, überlegte Pömer.
    Richard runzelte die Stirn. »Wie meint Ihr das?«
    »Nun, wer sagt uns denn, dass dieser Faro seinen Wahnsinn nicht nur vorspielt, um der Folter zu entgehen?« Pömer zuckte die Achseln. »Oder der Hinrichtung, wie Ihr wollt.«
    »Es hat nicht so gewirkt, als spiele er mir etwas vor.«
    »Das muss ja niemand wissen.«
    Diesmal schaute Richard Pömer nur an.
    Der Getreidehändler sah gleichzeitig erschöpft und entschlossen aus. »Zeuner ist der für diesen Fall zuständige Lochschöffe. Er allein kann im Rat den Antrag auf Folter stellen. Könntet Ihr ihm gegenüber nicht glaubhaft versichern, dass Faro in Eurem Beisein ganz klar war?«
    Richard hob abwehrend die Hände, aber Pömer ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Dann hätte Zeuner einen Grund, die Folter ...« Die letzten Worte gellten in Richards Ohren und vermischten sich mit dem Rauschen seines Blutes.
    Schwarzes Wasser, das auf seinen Brustkorb drückte und ihm den Atem abschnürte ...
    »Magdalena!«, keuchte er, und plötzlich war dieses Bild in seinem Kopf, deutlicher als je zuvor.
    Schwarzes Wasser und bleiche Knochen. Leere Augenhöhlen, die ihn anstarrten und ein skelettierter Arm, der, vom Ärmel eines halb zerfallenen Lederhemdes gehalten, ihm in der sanften Dünung zuwinkte ...
    Entsetzt japste Richard nach Luft. In seiner Erinnerung schmerzte ihm die Kehle, und der Geschmack des moorigen Wassers lag wieder auf seiner Zunge. Nur von fern hörte er Pömers besorgte Stimme: »Geht es Euch gut?«
    Er holte so tief Luft, wie er nur konnte. Diese Erinnerung hatte er seit Jahren tief in seinem Gedächtnis vergraben und beinahe vergessen gehabt. »Ja. Schon gut. Nur etwas, das mir gerade eingefallen ist.«
    »Ihr solltet Euch ausruhen, bevor

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