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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Wohnstube.
    »Katharina.« Mit dem Kinn wies Bertram Katharina den Weg. »Geh ruhig.«
    Sie hatte das Gefühl, ihm eine Erklärung schuldig zu sein, aber ihr Kopf war wie leergefegt. Also nickte sie ihm nur zu und ging dann an ihm vorbei.
    Mechthild saß in demselben Lehnstuhl wie beim letzten Mal. Aus großen Augen starrte sie ihrer Tochter entgegen. »Kind! Um Gottes willen!« Mehr sagte sie nicht. Die blauen Schatten in ihrem Gesicht kamen Katharina noch dunkler vor.
    Unschlüssig blieb sie mitten im Raum stehen.
    »Was machst du hier?«, fragte Mechthild.
    Katharina räusperte sich. »Ich kann nicht nach Hause. Ich kann nirgendwo hin.«
    »Warum nicht?«
    Zögernd trat Katharina einen Schritt auf ihre Mutter zu. Wo sollte sie beginnen? Alles in ihrem Kopf war eine einzige graue Masse, kein Gedanke schien mehr einfach zu sein. »Weil sie mich für eine Hexe halten.«
    Mechthilds Augen wurden noch ein bisschen weiter, dann schloss sie sie. Während sie so dasaß und sich nichts an ihr bewegte außer ihren Lippen, trat Katharina zu dem Stuhl, auf dem sie bereits einmal gesessen hatte. Vorsichtig ließ sie sich nieder und wartete, dass Mechthild die Augen wieder öffnete.
    Endlich war es soweit.
    »Wie soll ich das verstehen, Katharina?«
    Mit tonloser Stimme erzählte Katharina Mechthild, womit sie sich ihren Unterhalt verdiente. »Sie haben mich bereits einmal erwischt«, endete sie. »Damals musste ich nur fünf Gulden Strafe bezahlen. Aber jetzt hat der Mann einer meiner Kundinnen mich der Zauberei angeklagt. Wenn sie mich ergreifen, werde ich ins Loch geworfen.« Sie bemerkte, dass Bertram in der Tür stand. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und offenbar jedes ihrer Worte mit angehört. In seiner Miene war Erstaunen darüber zu lesen, dass sie ihn offensichtlich vergessen hatte. Doch das hatte sie nicht. Sie hatte ihre Erklärung mit Absicht so abgegeben, dass er sie mit anhören musste. Sie konnte sich nicht genau erklären, was sie dazu trieb, aber sie vermutete, dass es ihre Verfassung sein musste, die gleiche Verfassung, die sie an manchen Tagen beinahe vom Wehr beim Drudensteg springen ließ.
    Jetzt suchte sie in seiner Miene nach einem Hinweis darauf, was er tun würde. Würde er sie verraten und ausliefern? Es wäre seine Pflicht gewesen.
    Er blieb eine Weile reglos stehen, dann ging er zu seinem Lehnstuhl und setzte sich. Er wollte gerade etwas sagen, als unten an der Haustür lautes Klopfen erklang. »Meister Bertram?«, rief eine befehlsgewohnte Stimme.
    Ein Stadtbüttel!
    »Meister Bertram, wir müssen mit Eurer Frau reden!«
    Bertram sah Katharina mitten ins Gesicht. Sie hielt dem Blickstand, auch noch, als der Henker aufstand und zur Treppe ging, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Auf der obersten Stufe blieb er stehen und wies auf eine schmale Holztür, die Katharina bisher gar nicht aufgefallen war. Sie befand sich in einer gebogenen Wand, und es schien, als führe sie ins Nichts, denn der Raum, aus dem sie abging, lag im Obergeschoss des Henkersturmes.
    »Versteck dich da drinnen!«, befahl Bertram und setzte den Fuß auf die oberste Treppenstufe.
    Eilig raffte Katharina ihren Rock zusammen und tat, was er sagte. Sie hatte die Holztür kaum hinter sich geschlossen, da erklang die Stimme des Büttels auch schon auf Bertrams Flur.
    »Es gibt nur ein paar Fragen zu klären«, sagte er. »Es wird ganz schnell gehen.«
    Katharina blickte sich um. Sie befand sich in einem winzigen Verschlag, der komplett aus Holz bestand. Wie ein Schwalbennest schien er an der äußeren Rundung des Turmes zu kleben, mutmaßte sie, und als sie eine hölzerne Klappe anhob, die an der Rückwand angebracht war, begriff sie auch, wozu der Verschlag diente. Es war ein Abtritt. Durch das Loch, das unter der Klappe zum Vorschein kam, war das Wasser der Pegnitz zu sehen. Katharina schloss die Klappe wieder und setzte sich auf sie. Das Herz schlug ihr schmerzhaft weit oben im Hals.
    »Es tut mir leid, dass wir Euch belästigen müssen, Frau Augspurger«, sagte der Büttel gerade. Katharina kannte seine Stimme nicht. »Wir untersuchen den Tod an Eurem Sohn und haben den Auftrag, jeden aus der Familie des Toten aufzusuchen und zu befragen.«
    »Bitte.« Mechthild klang gepresst.
    »Wusstet Ihr von irgendwelchen Feinden, die Euer Sohn möglicherweise hatte?«
    »Nein. Aber ich habe Matthias in der letzten Zeit auch nicht sehr häufig getroffen. Er war Röhrenmeister, vielleicht findet sich unter ihnen

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