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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Sprung rettete sich Katharina in die Häuserlücke. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie oben auf dem Wehrgang der Kopf eines Soldaten erschien, jedoch in die falsche Richtung schaute. Sie duckte sich unter ein paar Sträucher und lief in ihrem Schutz tiefer in die Gärten hinein. Einmal musste sie eine niedrige Mauer überwinden, und sie schürfte sich dabei die Handflächen auf. Doch dann erreichte sie eine kleine Ansammlung von hölzernen Verschlägen. Rasch öffnete sie einen von ihnen. Strenger Ziegengeruch schlug ihr entgegen, und träges Meckern zeigte an, dass sie die Tiere in ihrem Schlaf gestört hatte. Sie schloss die Verschlagtür hinter sich, schob mehrere warme Leiber zur Seite, dann duckte sie sich hinter eine halb volle Futterkrippe.
    Schweratmend und mit einem sauren Geschmack in der Kehle machte sie sich so klein wie möglich.
    »Sie kann unmöglich hier hineingelaufen sein«, hörte sie einen der Büttel sagen. Sie waren zu weit entfernt, als dass sie ihn an der Stimme erkannte. »Das ist eine Sackgasse. Sie ist doch im Leben nicht so dumm und läuft direkt in eine Falle!«
    Katharina legte den Kopf auf die Knie.
    »Sie ist ein Weib!«, antwortete der andere Büttel. »Und vielleicht weiß sie nicht, dass das hier eine Sackgasse ist.«
    »Sie wohnt in diesem Viertel! Nein, ich glaube, sie ist längst durchsSpittlertor raus aus der Stadt. Komm, wir sehen zu, dass wir weiterkommen.«
    Katharina hielt den Atem an.
    »Geh schon mal. Ich will mich nur vergewissern, dass sie wirklich nicht hier ist.« Es gab einen dumpfen Schlag. Katharina biss sich in den Arm, um nicht angstvoll aufzustöhnen. Der Büttel war über die Mauer gesprungen.
    Das bedeutete, er war jetzt nur noch wenige Schritte von ihr entfernt. Sie hörte ein Rascheln, und stellte sich vor, wie er die Äste einiger Büsche zur Seite bog.
    Ein durchdringendes Meckern ließ sie in die Höhe fahren und fast vor Schreck aufschreien. Gerade noch rechtzeitig schlug sie sich beide Hände vor den Mund. »Pst!«, zischte sie in Richtung einer kleinen weißen Ziege, die mit angespanntem Körper dastand und sie misstrauisch beäugte.
    Vor dem Stall wurden Schritte laut.
    Die Ziege machte den Hals so lang, wie es ging, und ein Zittern lief über ihren schlanken Körper.
    Leise! , flehte Katharina in Gedanken. Ganz vorsichtig streckte sie die Hand aus, um das Tier daran schnuppern zu lassen. Es wich einen Schritt zurück, meckerte jedoch nicht noch einmal. Dann kam es wieder näher und begann, Katharinas Finger abzulecken.
    Im nächsten Moment flutete Licht in die warme Dunkelheit des Stalls, und der Ruck, mit dem die Tür aufgerissen worden war, verursachte Unruhe unter den Ziegen. Mit lautem Gemecker sprangen sie von rechts nach links und zurück. Eine traf Katharina mit dem Huf am Schienbein. Scharfer Schmerz durchzuckte sie und trieb ihr das Wasser in die Augen.
    »Idiot!«, hörte sie den strubbeligen Büttel murmeln. »Sie ist nicht hier, genau wie Ludwig gesagt hat.« Katharina konnte hören, wie er einer der Ziegen kräftig auf den Rücken patschte. »Egal! Soll sie doch entkommen. Früher oder später wird sie beim Lochwirt einkehren, nicht wahr, meine Süße?«
    Einen Augenblick später wurde die Stalltür wieder geschlossen. Katharina legte den Kopf gegen die Holzwand und schloss die Augen.
    Die Flucht hatte den letzten Rest an Kraft aus ihrem Leib sickern lassen. Genau wie Egberts mechanische Figuren erstarrte sie zu völliger Regungslosigkeit.
    »Katharina?« Bertrams Kinnlade fiel herunter, als er die Tür seiner Wohnung öffnete und sah, wer vor ihm stand.
    Alles an Katharinas Leib zitterte. Was hatte der Büttel damit gemeint, dass sie früher oder später beim Lochwirt einkehren würde? Wusste er von ihrer Freundschaft zu Sebald? Oder war es nur im übertragenen Sinne gemeint, als Versicherung, dass man sie bald fangen und einkerkern würde? Sie hatte keine Antwort auf diese Frage gefunden, aber eines war ihr klar gewesen: Sie durfte es nicht riskieren, sich bei Sebald blicken zu lassen. Zu groß war die Gefahr, dort erwischt zu werden.
    Da sie auch nicht nach Hause zurückkehren konnte, war ihr nur noch eine einzige Möglichkeit geblieben.
    Mechthild.
    Jetzt musste sie an Bertrams Türrahmen Halt suchen. Sie fühlte sich, als habe ein Fieber sie erfasst. »Darf ich reinkommen?«, fragte sie.
    »Natürlich!« Bertram öffnete die Tür weit für sie und trat einen Schritt zurück.
    »Wer ist da?«, erscholl Mechthilds Stimme aus der

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