Seraphim
jemand.«
»Ihr könnt sicher sein, dass wir auch dem nachgehen.«
»Es wurde doch bereits jemand festgenommen«, mischte sich Bertram in das Gespräch. »Was soll diese Befragung?«
Der Büttel wartete einen Moment mit der Antwort. Katharinastellte sich vor, wie er Bertram musterte. »Ihr wart bereits im Loch, um Faro zu begutachten.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Ja.«
»Dann wisst Ihr, wie es um ihn steht.«
»Natürlich. Ich bin nicht blind.«
»Das behauptet auch niemand«, lenkte der Büttel ein. »Aber wir haben den Befehl, so viel Wissen wie möglich über den Verdächtigen zu sammeln. Bürgermeister Zeuner hofft, dass dabei etwas herauskommt, was ihn befähigt, die Folter beim Rat zu beantragen. Damit der Prozess seinen gerechten Gang geht und der Mörder Eures Sohnes seiner Strafe zugeführt werden kann, Frau Augspurger.« Katharina konnte hören, wie der Mann Luft holte. »Könnt Ihr uns eine Liste mit Leuten geben, mit denen Euer Sohn Umgang hatte?«
»Natürlich.« Es dauerte einen Augenblick, dann hörte Katharina erst Papier rascheln und dann das leise Kratzen einer Feder.
Nach einer ganzen Weile sagte der Büttel: »Ich danke Euch.« Wieder Stille, offenbar las er die Liste, die Mechthild ihm geschrieben hatte. »Von der Familie des Inhaftierten, die wir genau wie Euch befragt haben, wissen wir, dass es da eine Frau gab, die Faro zu heiraten gedachte. Eine gewisse Katharina Jacob. Aus unseren Akten geht hervor, dass Ihr, Mechthild Augspurger, vor einundzwanzig Jahren eine Tochter mit Namen Katharina geboren habt. Ist das Eure Tochter?«
Mechthild antwortete langsam, beinahe zögernd. »Meine Tochter Katharina hat vor vielen Jahren Nürnberg verlassen. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich aufhält. Es muss sich um eine zufällige Namensgleichheit handeln.«
Katharina biss sich auf die Knöchel, und die Bitterkeit, mit der ihre Mutter diese Worte sprach, überlagerte die Angst davor, wie dicht sie vor einer Entdeckung stand.
»Hm«, machte der Stadtbüttel. »Vielleicht.« Er klang plötzlich weitaus weniger freundlich als noch eben. »Aber wenn nicht, solltet Ihr Euch gut überlegen, was Ihr tut. Denn diese Katharina Jacob steht nicht nur in Verbindung mit Faro Jorges, sondern es liegt darüber hinaus gegen sie auch eine Anzeige wegen Hexerei von einem angesehenen Nürnberger Handwerker vor.«
Plötzlich füllte eine angespannte Stille den Raum. Katharina stellte sich vor, wie der Büttel Mechthild musterte und wie sie seinem Blick mit ruhigem Gesicht standhielt. Schon früher hatte Mechthild ab und an für ihre Kinder gelogen, hauptsächlich für Matthias, den sie dadurch vor dem Gürtel seines eigenen Vaters bewahrt hatte. Darum wusste Katharina, wie das Gesicht ihrer Mutter in diesem Moment aussah: etwas starr, aber völlig ruhig. Niemals verriet ein zuckender Muskel oder eine klopfende Ader die Lügen.
»Nun gut.« Der Büttel seufzte. »Wir werden sehen. Fürs Erste wird das reichen. Ich danke Euch für Eure Hilfe.« Das letzte Wort kam mit einem höhnischen Unterton, dann waren Schritte auf der Treppe zu hören, und schließlich fiel die Haustür ins Schloss.
Katharina erhob sich von ihrem Sitz und schob die Tür einen Spalt weit auf. Als sie sich sicher war, dass die Luft rein war, ging sie mit steifen Schritten zurück in die Stube.
»Du hast für mich gelogen«, stellte sie fest.
Mechthild nickte nur. Bertram stand am Fenster, seine Miene war unergründlich.
»Danke.« Katharina wusste nicht, was sie sonst sagen sollte.
»Sie ahnen, dass Mechthild sie angelogen hat, und sie werden dich aufspüren«, sagte Bertram.
Katharina rieb sich das schmerzende Knie. »Ich weiß.«
»Und was willst du jetzt tun?« Mechthild wirkte traurig und verwirrt.
Genau das war die eine Frage, auf die Katharina keine Antwort wusste. Sie spürte, wie die Spinnweben in ihrem Geist wieder dichter wurden, und hatte Mühe, nicht vornüber zu sinken.
»Du kannst dich nicht ewig vor ihnen verstecken«, machte Bertram ihr klar. »Im Augenblick solltest du bei uns sicher sein. Schließlich weiß noch niemand von deiner Verwandtschaft mit uns. Aber irgendwann wirst du dich der Anklage dieses Handwerkers stellen müssen.«
Katharina dachte an Richard Sterner und daran, dass er ihr Geheimnis kannte. Die Vorstellung bereitete ihr Angst, aber noch etwas anderes erschreckte sie viel mehr. »Würdest du ...« Sie hatte eine enge Kehle und musste husten. »Würdest du mich foltern?«, flüsterte
Weitere Kostenlose Bücher