Seraphim
sie.
Mechthild stieß einen leisen Schrei aus.
»Es ist doch so«, fuhr Katharina nun heftiger fort. »Wenn ich behaupte, unschuldig zu sein, wird man Befehl geben, das Geständnis aus mir herauszuholen, und du ...«
»Katharina!« Mechthild starrte sie wütend an. »Bertram hat dir Hilfe angeboten, und du ...«
»Schon gut!«, unterbrach Bertram sie. »Sie hat nur Angst, und das ist auch völlig verständlich.« Er sah Katharina in die Augen. »Du hast ein falsches Bild von der Gerichtsbarkeit bei Hexenanklagen. Für den Fall, dass es zu einer Untersuchung der Vorwürfe gegen dich kommt, werden zunächst einmal Zeugen befragt. Eine Folter kann nur beantragt werden, wenn ausreichende Verdachtsmomente vorliegen, nicht einfach so aufgrund der Aussage eines einzelnen Mannes – egal, wie hochgestellt auch immer er sein mag.«
Katharina blickte auf ihre eigenen Füße. Sie wollte sich jetzt nicht mit diesen Dingen auseinandersetzen. Sie wollte sich hinlegen und sich eine Decke über den Kopf ziehen. Sie zwang sich dazu, dieses Bedürfnis beiseitezuschieben.
»Was hat der Büttel damit gemeint, als er sagte, der Bürgermeister hofft, etwas herauszufinden, was ihn befähigt, Faros Folter beim Rat zu beantragen?«
»Faro wurde mit dem Messer in der Hand neben Matthias’ Leiche gefunden.« Bertram blickte aufmerksam in Mechthilds Gesicht bei diesen Worten, aber sie zeigte keinerlei Regung, also sprach er weiter: »In einem anderen Fall würde das als Grund für die Folter mehr als ausreichen. Aber er ist wahnsinnig, das bedeutet, wenn Zeuner seine Folter beantragen würde, würde der Rat dem niemals stattgeben. Wenn Zeuner also Faro für den Mord an Matthias zur Rechenschaft ziehen will, muss er einen Grund finden, der den Rat zwingt, die Folter trotz seines Wahnsinns zu genehmigen. Das war gemeint.«
Katharina hatte verstanden. »Was passiert, wenn Faro seinen Verstand nicht wiedererlangt?«
Bertram zuckte die Achseln. »Man wird ihn in einen der Türme stecken.«
»Als Strafe für den Mord, oder um die Stadt vor ihm zu schützen?«Die dunklen, feuchten Zellen des Lochs standen ihr deutlich vor Augen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Zustände in den Türmen wesentlich besser waren.
Bertram beantwortete ihre Frage nicht.
»Was wäre denn ein Grund, die Folter trotzdem zu genehmigen?«
Jetzt zögerte er. Er warf einen Blick auf Mechthild, doch die schaute ihn nur ebenso fragend an wie Katharina. Er räusperte sich. »Zum Beispiel der Verdacht, dass er den Wahnsinn nur vortäuscht.«
Katharina griff sich an den Hals. »Und dann? Gibt es dann noch etwas, das eine Folter verhindern kann?«
Bertram sah Katharina lange an, bevor er antwortete. »Nicht viel«, murmelte er und schlug die Augen nieder.
* * *
Nachdem Richard Pömers Haus verlassen hatte, blieb er mitten auf dem Hauptmarkt stehen und fuhr sich mit beiden Händen in die Haare. Sein Verstand weigerte sich zu glauben, dass das, was Enzo Pömer ihm soeben gesagt, das, was er von ihm verlangt hatte, der Wirklichkeit entsprach.
Hatte Pömer ihn tatsächlich dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, dass ein Mann gefoltert wurde? Gefoltert! Er stützte sich auf seinen Knien ab, weil ihm schlecht wurde, aber die Blicke der Menschen ringsherum zwangen ihn, sich wieder aufzurichten.
In diesem Moment begannen die Glocken von St. Sebald zu läuten, und einem Impuls folgend machte Richard sich auf den Weg zu der Kirche. Der Grund stieg an dieser Stelle zum Burgberg hin recht steil an, und man hatte die Steigung durch eine Treppe überwunden, an deren oberster Stufe der Kirchhof begann.
Zwei Männer näherten sich und blieben am Fuß dieser Treppe stehen. Einer der beiden lachte so heftig, dass sein roter Bart wackelte. »Frag doch den heiligen Sebald«, riet er seinem Begleiter, einem Mann in der Kleidung eines Tuchfärbers. »Vielleicht kann er dir einen Rat geben, was du tun sollst!«
»Der alte Sebald ist ja auch für seinen Geschäftssinn bekannt«, spottete der Färber. Dann zuckte er die Achseln. »Einerlei! Ich glaube, ich werde heute tatsächlich einmal die Messe aufsuchen.Vielleicht schenkt mir ja der Heilige Geist eine Eingebung, ob ich das verflixte Grundstück kaufen soll oder nicht.« Er reichte dem anderen die Hand, und sie verabschiedeten sich. Während der Rothaarige in eine Gasse eintauchte, erklomm der Färber die Stufen, überquerte den Friedhof und verschwand im Inneren der Kirche.
Zögernd folgte Richard ihm die Treppe
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