Seraphim
nach.
»Das wird leider warten müssen«, bekam er zur Antwort. Dann waren die Schritte des Priors auf dem steinernen Fußboden auch schon verklungen.
* * *
Katharina und Sebald saßen schweigend beieinander, bis schließlich Stimmen durch die engen Gänge hallten.
»Hier entlang«, hörte Katharina Zeuner sagen.
Dann schwang die Zellentür auf, und ein Mann kam herein, dessen schneeweißes Mönchshabit den düsteren Raum fast ein wenig zu erhellen schien. Katharina erkannte in ihm einen der beiden Mönche, die bei ihrer Verhaftung im Kontor des Bürgermeisters gewesen waren, und sie versuchte, sich an den Namen zu erinnern, den Zeuner ihr genannt hatte.
Prior Claudius.
»Warum ist die Tür nicht versperrt?«, fragte er, während Bürgermeister Zeuner ebenfalls die Zelle betrat.
»Weil ich hier bin«, antwortete Sebald ihm.
Der Predigermönch richtete einen strengen Blick auf den Lochwirt. »Ihr seid ...?«
Sebald stellte sich vor, und das schien den Mann zufriedenzustellen. »Ah, Ihr achtet darauf, dass sie nicht kleinmütig wird, nicht wahr?« Es war ersichtlich, dass er sich noch nicht oft hier unten aufgehalten hatte. Er wirkte, als fürchte er die Dunkelheit, die in den Ecken der Gänge und Kammern saß. Seinen Kopf hatte er eingezogen, seine Blicke huschten immer wieder unruhig in die dunklen Ecken.
Sebald antwortete nur mit einem unverständlichen Brummen.
»Prior Claudius hat einen seiner Mönche zu mir geschickt«, erklärte Zeuner Katharina, »und darum gebeten, so schnell wie möglich mit Euch sprechen zu dürfen.«
»Weil der Bruder Inquisitor, der in unserem Kloster weilt, erwacht ist«, fügte der Mönch an. »Er gilt als ein gestrenger Ketzerjäger. Ich hatte Gelegenheit, mich mit ihm zu unterhalten, und ich fürchte, das Bild, das die Welt sich von ihm macht, stimmt.« Er sah Bürgermeister Zeuner an, und der nahm den Faden auf.
»Der Prior hat mich darum gebeten, zuerst mit Euch sprechen zu dürfen, um sich ein Bild über Euren Fall machen zu können, das er dann dem Inquisitor vortragen wird. Seid Ihr damit einverstanden?«
Katharina nickte beklommen. Was hatte sie auch für eine Wahl?
»Nun, meine Tochter«, wandte Prior Claudius sich an sie. »Hast du eine Ahnung, warum man dich hergebracht hat?«
»Ja.«
»Und weswegen?«
»Weil Peter Hoger mich angezeigt hat, Zauberei mit Heilmitteln zu betreiben.«
»Und ist das so?«
»Nein.«
»Du leugnest also, eine Zauberin zu sein?«
Katharina sah an dem Mönch hoch, der sich jetzt über sie gebeugt hatte, als sei sie ein ungezogenes kleines Kind. »Ja.« Unsicher schaute sie zu Zeuner, der mit ausdruckslosem Gesicht in der Zelle stand. Irgendwie hatte sie ihn so verstanden, dass der Prior auf ihrer Seite war? Hatte sie sich getäuscht?
»Nun.« Claudius richtete sich wieder auf. »Am Anfang leugnen sie alle.« Jetzt erst sah Katharina, dass er ein dickes Buch unter den Arm geklemmt hatte. Mit dem Fingerknöchel klopfte er gegen seinen Deckel, der einen dumpfen hölzernen Ton von sich gab. »Aber hierin steht, wie man Menschen wie dich zum Reden bringen kann, wusstest du das?«
»Nein.«
»Dieser Mann, der dich angeklagt hat, dieser Peter Hoger, er behauptet, du hättest durch einen Zauber dafür gesorgt, dass seine Frau keine Freude mehr am Leben empfinden kann. Du hättest das getan, um ihr deine Arzneien zu verkaufen. Stimmt das?«
»Nein, ich ...«
»Hast du Bettine Hoger Arzneien verkauft, oder nicht?«, zischte der Mönch.
Katharina schluckte. »Ja, aber ...« Wieder suchte sie Zeuners Blick. Wieder reagierte er nicht, aber nun sah auch er verwirrt aus.
»Aha! Und wogegen sollten diese«, der Prior verzog höhnisch das Gesicht, »Arzneien sein?«
»Gegen Frau Hogers melancholia .«
» Melancholia , so, so. Was soll das für eine Krankheit sein?«
»Es ist eine Schwäche des Gemüts, eine Art ...«
»Und womit hast du diese sogenannte Schwäche behandelt?« Beiläufig legte der Prior das Buch neben Katharina auf die Bank. Sie vermied es, genauer hinzusehen.
»Hauptsächlich mit einem Sud aus Johanniskraut und Baldrian, aber auch mit Gesprächen, die ...«
Wieder fiel Claudius ihr ins Wort, diesmal heftiger. »Ha! Gespräche! Du gibst also zu, dass du Frau Hogers Krankheit durch Besprechen heilen konntest?«
»Ich ... nein, natürlich nicht, aber die melancholia ...«
Der Prior hatte angefangen, in der kleinen Zelle auf und ab zu gehen. Er hatte die Arme dabei vor der Brust verschränkt. Seine Fragen ließen
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