Seraphim
die beiden Männer draußen auf dem Gang streiten hören.
»Geht es dir gut?« Sebald kam heran, legte ihr eine Hand auf den Rücken.
Sie nickte. Dann lachte sie auf, weil ihre Antwort ihr so bizarr vorkam. »Er verdreht mir jedes Wort im Mund!«, flüsterte sie.
»Genau darum wird er jetzt gehen, auch wenn es ihm nicht passt.« Zeuner streckte den Kopf zur Tür herein und sah Sebald an. »Würdet Ihr so freundlich sein, den Herrn Prior nach oben zu geleiten?«
Sebald zögerte, aber schließlich nahm er Claudius’ Buch an sich und verließ die Zelle.
Als er fort war, kam Zeuner wieder herein.
»Was nun?«, fragte Katharina leise.
»Ich scheine mich in diesem Mann getäuscht zu haben, aber Ihr dürft nicht den Mut verlieren. Er hat hier in Nürnberg keinerlei Befugnisse.«
»Aber er wird der Heiligen Inquisition Bericht erstatten. Und dann ...« Mühsam richtete Katharina sich wieder auf. Sie war plötzlich nur noch müde.
»Aber nicht heute und nicht morgen. So etwas braucht Zeit, und das ist unsere Gelegenheit, Euch hier heile rauszuholen.«
»Wie das?«
Zeuner kniete sich vor ihr nieder und legte ihr eine Hand auf denArm. Es war eine Geste, die so vertraut wirkte, als würden sie sich seit vielen Jahren kennen. »Lasst mir bis morgen früh Zeit, ein paar Dinge zu regeln. Dann komme ich zurück und sage Euch, was wir tun. In Ordnung?«
Es fiel Katharina schwer zu nicken, denn die Aussicht, die ganze Nacht hier in dieser dunklen und kalten Zelle zu hocken, bereitete ihr körperliches Unbehagen.
»Gut.« Zeuner strich über ihre Haut und erhob sich dann. »Verlier nicht den Mut. Es wird alles gut werden.«
In diesem Moment kam Sebald zurück. »Er ist weg.«
»Dann lasst jetzt bitte mich hinaus«, bat Zeuner. Er schenkte Katharina ein Lächeln.
Sebald dagegen sah zweifelnd auf sie nieder. »Ich muss dich einschließen«, murmelte er. »Aber ich lasse dir die Lampe da, ja? Und ich komme regelmäßig nach dir sehen. Versprochen!«
Zusammen mit Zeuner verließ er die Zelle und schloss sachte die Tür. Wieder erklang das Geräusch des einrastenden Schlosses. Diesmal schrie Katharina nicht.
Sie sah, wie Zeuner einen letzten Blick durch das kleine Fensterchen in der Zellentür warf. »Verlier nicht den Mut!«, wiederholte er.
Sie nickte kläglich.
* * *
Nachdem Richard das Gasthaus verlassen hatte, machte er sich sogleich auf den Weg zum Gefängnis.
Die Lochgasse lag verlassen im Licht einer einzelnen Laterne, von fern konnte man das Gebell eines Hundes hören. Richards Stiefeltritte hallten laut auf dem buckeligen Pflaster. Er hielt kurz bei einem der ebenerdigen Gitter an und lauschte in die Tiefe, doch von dort kamen keinerlei Geräusche. Also wandte er sich zur Tür der Lochwirtwohnung und betätigte den Klingelzug. Für seinen Geschmack dauerte es viel zu lange, bis sich im Inneren der Wohnung etwas regte, also klingelte er erneut und donnerte gleichzeitig mit der Faust gegen die Tür.
»Ist jemand zu Hause? Aufmachen! Ich muss mit Sebald, dem Lochwirt, sprechen!«, rief er.
Noch immer blieb alles still.
Richard hatte sich schon abgewandt, um sein Glück auf der gegenüberliegenden Seite beim Eingang ins Gefängnis zu versuchen, als er glaubte, im Inneren der Wohnung leise Schritte zu hören. Lauschend blieb er stehen, den Kopf vorgebeugt, so dass ihm seine langen braunen Locken auf eine Schulter rutschten.
Kurz war es ganz still. Sogar der Hund war verstummt.
Dann wurde eine kleine Luke im oberen Drittel der Wohnungstür geöffnet. Ein schmales, eingefallenes Gesicht erschien in der Öffnung.
»Wer ist denn da?« Eine alte, krächzend klingende Frauenstimme.
Richard räusperte sich und nannte seinen Namen. »Ich muss zu Sebald, dem Lochwirt.«
»Mein Sohn ist nicht zu Hause«, antwortete die Alte. »Er hat zu tun.« Und bevor Richard noch etwas sagen konnte, schloss sie die Klappe wieder. Es gab einen lauten Knall, der in der engen Gasse widerhallte.
Ernüchtert starrte Richard gegen die Tür dicht vor seiner Nase. Er ballte die Rechte zur Faust, um erneut zu klopfen, aber dann ließ er es bleiben. Er lehnte sich gegen die Hauswand und verschränkte die Arme. Wenn der Lochwirt wegen seiner Arbeit unterwegs war, musste er früher oder später nach Hause kommen. Richard beschloss zu warten.
Er legte auch den Kopf gegen die Wand, schloss für einen Moment die Augen. Der Hund hatte wieder angefangen zu bellen. Eine einsame Glocke läutete irgendwo, dann waren Schritte zu hören, weit
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