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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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entfernt auch sie. Jemand rief etwas, das Richard nicht verstehen konnte. Ein Fenster wurde zugeschlagen.
    Richard öffnete die Augen wieder.
    Eine einsame Lampe brannte vor sich hin, warf langgezogene Schatten auf Boden und Wände. Eine Weile sah Richard dem feinen Rauchfaden zu, der von dem Docht aufstieg und den Deckel der Laterne schwarz färbte.
    Der Hund verstummte erneut.
    Der Türmer von St. Sebald läutete die vierte Nachtstunde.
    Und dann öffnete sich die Tür zum Kerker.
    Ein Mann kam heraus, der in den weißen Habit eines Dominikanermönchesgekleidet war. Das schwarze Skapulier schien jedes Licht zu schlucken, so dass es aussah, als laufe ein düsterer Schatten quer über seinen gesamten Körper. Der Mönch bemerkte Richard nicht, sondern wandte sich brüsk um.
    »Mein Buch!«, schnappte er.
    »Bitte!« Ein zweiter Mann, der dem Mönch gefolgt war, trat aus der Tür und reichte ihm ein dickes, in Leder gebundenes Buch. Dabei fiel das Licht der Laterne auf sein Gesicht. Es war Sebald Groß, seine schrecklich entstellten Züge waren nicht zu verwechseln.
    Der Mönch riss das Buch an sich und drückte es an die Brust wie eine Mutter ihren Säugling. »Wenn Ihr wieder runtergeht, sagt Zeuner, dass ich morgen zu ihm komme, um mit ihm zu reden«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
    Sebald Groß nickte nur. Er wartete, bis der Mönch die Gasse verlassen hatte, und schickte sich an, in das Lochgefängnis zurückzukehren. Richard hatte sich bereits von der Wand abgestoßen, um den Mann auf sich aufmerksam zu machen, aber dann wich er wieder in den Schatten. Aus den Worten des Mönchs war hervorgegangen, dass sich Bürgermeister Zeuner unten in den Verliesen befand, und der war der Letzte, dem Richard begegnen wollte. Also lehnte er sich erneut an und sah zu, wie Groß im Loch verschwand.
    Diesmal vergingen nur wenige Augenblicke, dann führte der Lochwirt einen weiteren Besucher ins Freie. Diesmal war es Zeuner.
    Richard sah zu, wie der Bürgermeister vor dem Lochwirt stehenblieb und ihn ernst anblickte. »Dieser Prior scheint ein schärferer Hund zu sein, als ich dachte«, sagte er. »Ich habe zwar keine Ahnung, warum, aber er hat offenbar vor, an Katharina die Wirksamkeit seiner neuen Verhörmethoden aus diesem unsäglichen Buch auszuprobieren.«
    »Das müssen wir verhindern!«, gab Groß zurück. Er klang aufgeregt und schrill, wie ein kleiner Junge. »Katharina ist keine Hexe, das weiß ich genau!«
    Zeuner nickte. Das Licht der Laterne warf scharfe Schatten auf seine Züge und ließ seine Augen in tiefen Höhlen verschwinden.
    »Katharina hat niemanden, der ihr helfen kann«, redete Groß weiter. »Weil ... sie ist unschuldig, das müsst Ihr mir glauben!«
    »Ich glaube Euch ja! Dennoch hat Katharina das Gesetz übertreten, als sie ihre eigene Medizin verkauft hat, und ich kann den Rat kaum dazu bringen, das zu ignorieren. Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit ...« Er verstummte. Schließlich gab er ein brummendes Geräusch von sich, als sei ihm eine Idee gekommen. »Wir werden sehen. Vertraut mir, Groß! Ich tue für Katharina, was ich nur kann.« Mit diesen Worten ging er bis zum Ende der Gasse.
    Groß’ Ruf hielt ihn zurück: »Bürgermeister?«
    »Ja?« Er wandte sich noch einmal um.
    »Warum tut Ihr das für Katharina?«
    Von seinem Standpunkt in der Finsternis aus hatte Richard einen guten Blick in Zeuners Miene. Über das Gesicht des Mannes lief ein Schatten, dann lächelte er schwach. »Sagen wir, ich habe ein persönliches Interesse.« Dann verschwand er.
    Richard wartete, bis seine Schritte verklungen waren, dann machte er sich bemerkbar. »Sebald Groß?«
    Groß, der gerade dabei war, den Schlüssel von seinem Gürtel abzuhaken, um die Verliestür abzuschließen, blickte auf. »Wer ist da?«
    Richard trat in den Schein der Laterne. »Ich bin es. Richard Sterner. Erinnert Ihr Euch an mich?«
    »Faros Freund?« Groß ließ das Schlüsselbund sinken. Die Schlüssel klirrten leise aneinander. In der Ferne begann der Hund von neuem zu bellen.
    »Ja.«
    »Was tut Ihr hier?«
    »Ich war dabei, als man Katharina verhaftet hat. Lasst Ihr mich zu ihr?«
    Der Lochwirt trat einen Schritt zur Seite, so dass das Licht nicht mehr direkt auf sein Gesicht fallen konnte. Richard war dankbar dafür.
    Groß kratzte sich am Schädel. »Ich weiß nicht.«
    »Ich möchte Katharina helfen«, sagte Richard. »Ihr wisst, dass sie sonst niemanden hat.« Ohne Skrupel nutzte er jenes Wissen, das er soeben von

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