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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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1941
    »Was ist das?«, fragte ich. »Etwas über diese Sutuuma ?«
    Stolz lächelte er mich an.
    In kurzer Zeit hatte Kerem anscheinend eine Menge von Informationen gesammelt. Ich konnte mich nur wundern. Entweder das Internet mauserte sich, oder mein Sohn. Vielleicht ja beide.
    So neugierig ich auch war, ich konnte die Seiten jetzt nicht lesen und legte sie auf die Schlafzimmerkommode. Dann ging ich aus dem Haus und ließ mich zum Konsulat fahren.
    Das britische Konsulat war ein eindrucksvolles Steingebäude in der Nähe des Pera Palace und in etwa zur gleichen Zeit errichtet worden wie der Dolmabahçe-Palast, was zwischen dem britischen Empire und dem Osmanischen Reich zu einem Wettstreit um Steinbrüche und Steinmetze geführt hatte. Am Tor hielt ich dem Wächter meine Einladung hin und wurde höflich hineingelassen. Ich stieg eine Marmortreppe hinauf, und in einer Halle mit riesigen Kronleuchtern wurde mir von schwarzlivriertem Personal der Mantel abgenommen. Dann führte man mich in das oberste Stockwerk.
    Vor der Tür zum Empfangsraum standen die Menschen Schlange. Der Konsul und seine Gattin begrüßten die Gäste einzeln, fanden für jeden ein paar Worte, und wenn es sich um Bekannte handelte, wurde auch herzlich gelacht. Als ich an der Reihe war, nannte ich meinen Namen, der dem Konsul natürlich nichts besagte. Als ich mich als Vertreterin des Rektors der Universität Istanbul vorstellte, blühte sein Gesicht auf. Er schüttelte mir energisch die Hand und sagte zu seiner Frau: »Die Frau Professor ist von der Universität Istanbul«, worauf auch sie mir die Hand drückte. Ich hätte jetzt den Irrtum aufklären und zugeben können, dass ich nur eine kleine Angestellte im Bereich Öffentlichkeitsarbeit war, doch wäre mir das irgendwie peinlich gewesen, und so lächelte ich einfach zurück.
    Die meisten Männer trugen Smoking, die Frauen schienen Modezeitschriften entsprungen zu sein. Zwischen plaudernden Grüppchen servierten Kellner Getränke und Sandwiches. Da merkte ich, dass ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. In dem Bewusstsein, dass mich hier niemand kannte, bediente ich mich bei jedem vorbeikommenden Kellner.
    Als ich den riesigen Gobelin betrachtete, setzte der Konsul zu einer Rede an. Die einführenden Worte las er auf Türkisch ab, dann ging er zu Englisch über. Am Ende wurde geklatscht, und die Kellner nahmen ihre Rundgänge wieder auf.
    Ich versuchte mehrfach, mich einer der Gruppen anzuschließen, aber da niemand Notiz von mir nahm, sah ich mir schließlich mit einem Glas Champagner in der Hand die Bilder und Wandteppiche an. Als ich vor einem riesigen Bild stand, das die Schlacht von Trafalgar darstellte, merkte ich, dass ich beobachtet wurde.
    »Sie scheinen sich zu langweilen.«
    Ich blickte mich um und sah einen hochgewachsenen, schlanken Engländer mit Brille.
    »Nein, nein, ich fühle mich wohl hier.«
    Er blickte umher. »Sie haben anscheinend nicht viele Bekannte hier.«
    »Gar keinen, könnte man sagen.«
    Höflich lächelnd erwiderte er: »Nein, das könnte man nicht, denn ich kenne Sie.«
    »Sie wissen höchstens, dass ich von der Universität bin.«
    »Ich meine nicht Ihren Job, ich meine Sie persönlich.«
    Ich schmunzelte: »Dann nennen Sie doch meinen Namen.«
    Grüßend nickte er mir zu. »Mrs. Maya Duran.«
    »Woher kennen Sie mich?«
    »Haben Sie nicht schon gemerkt, dass immer mehr Leute Sie kennen?«
    »Was soll das heißen?«
    Mit einer höflichen Geste gebot er mir Einhalt.
    »Verzeihen Sie bitte, ich möchte Ihnen nur kurz ein Glas Champagner organisieren.«
    Er nahm mir das fast leere Champagnerglas aus der Hand und reichte mir vom Tablett eines Kellners ein frisches Glas, an das er mit seinem eigenen sogleich anstieß.
    »Auf die berühmte Maya Duran.«
    »Wer sind Sie?«
    »Entschuldigung. Ich bin Matthew Brown, Konsulatsattaché.«
    Er zog der Tasche seines Smokings eine Visitenkarte und überreichte sie mir förmlich.
    »Ich bin keine Frau Professor«, sagte ich.
    »Das weiß ich.«
    »Und ich bin auch nicht stellvertretende Rektorin oder so, sondern eine einfache Angestellte.«
    »Auch das weiß ich.«
    Immerfort lächelte er. Er war einer von diesen Engländern mit unerschütterlichem Selbstvertrauen. Der Mann sah gut aus und hatte etwas von Hugh Grant.
    »Warum haben Sie mich dann zu diesem Empfang eingeladen?«
    »Um mich mit Ihnen zu unterhalten.«
    »Und worüber?«
    »Über Professor Maximilian Wagner.«
    Bei seiner Antwort hätte ich fast

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