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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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Kinder. Ihr Ehrenpräsident war 1933 tatsächlich Albert Einstein. Er war nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt und hielt sich vorwiegend in den USA auf. Mit dem Ziel, andere jüdische Professoren aus Deutschland zu retten, hatte er an Atatürk jenen Brief geschrieben.
    Professor Wagner war zwar viel später in der Türkei eingetroffen, doch der erste Anstoß zur Aufnahme deutscher Wissenschaftler war damals erfolgt.
    Auf türkischen Internetseiten wurde über den Brief Einsteins an Atatürk voller Stolz gesprochen, und ja auch nicht zu Unrecht. Suchte man jedoch weiter, stieß man allerdings auf Quellen, die die Angelegenheit in einem etwas anderen Licht erscheinen ließen.
    Zum einen war der Brief gar nicht an Atatürk selbst, sondern an den Ministerrat der türkischen Republik gerichtet. Und obwohl er Einsteins Unterschrift trug, war er vermutlich nicht von ihm selbst, sondern von der Leitung des OSE verfasst worden. Nach Angaben seiner Privatsekretärin war Einstein im fraglichen Zeitraum nicht in Paris gewesen. Er hatte Briefkopfpapier der OSE mit seiner Unterschrift versehen, damit es bei Bedarf verwendet werden konnte.
    Konnte man also überhaupt von einem Brief Einsteins sprechen?
    Meiner Ansicht nach schon. Auch viele Politiker ließen sich ihre Reden von Ghostwritern schreiben, und dennoch galt das, was sie sagten, als ihre eigenen Worte. Hier lag der Fall doch ähnlich. Auch falls Einstein nicht in Paris gewesen war, musste er über den Inhalt des Briefes doch Bescheid gewusst haben. Ein Brief mit der Unterschrift Einsteins war kein persönliches, sondern ein offizielles Schreiben.
    Ich suchte weiter. Ministerpräsident war damals İsmet İnönü. Der Ministerpräsident hatte den Brief mit einer handschriftlichen Notiz versehen und ihn an den Erziehungsminister Dr. Reşit Galip weitergeleitet.
    Das Ergebnis der Beratungen war negativ. In seiner Antwort vom 14. November 1933 lehnte der Ministerpräsident den Vorschlag Einsteins ab:
    Sehr geehrter Herr Professor,
    ich habe Ihr Schreiben erhalten, in dem Sie für vierzig deutsche Professoren und Doktoren, die infolge der deutschen Regierungspolitik ihre Arbeit nicht mehr in ihrer Heimat fortsetzen können, eine Aufnahme in die Türkei erbitten. Ich habe ferner zur Kenntnis genommen, dass die betreffenden Herren sich bereiterklärt haben, in staatlichen türkischen Einrichtungen ein Jahr lang ohne Entgelt zu arbeiten. So verlockend dieses Angebot auch ist, sehe ich mich aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen unseres Landes nicht in der Lage, Ihrem Wunsch stattzugeben.
    Sehr geehrter Herr Professor, wie Sie wissen, sind bereits mehr als vierzig ausländische Professoren und Doktoren hier beschäftigt, die zum Großteil von ähnlicher Befähigung sind und sich ebenfalls in der gleichen politischen Situation befinden. Sie sind darauf eingegangen, unter den hier herrschenden Gesetzen und Bedingungen zu arbeiten.
    Bereits jetzt erfordert es viel Fingerspitzengefühl, zwischen diesen Menschen, die von Herkunft, Sprache und Kultur zum Teil sehr unterschiedlich sind, einen Ausgleich zu schaffen. Daher muss ich Ihnen bedauernd mitteilen, dass wir unter diesen Umständen nicht imstande sind, noch weiteres Personal aufzunehmen.
    Sehr geehrter Herr Professor, es tut mir aufrichtig leid, Ihrem Wunsch nicht entsprechen zu können.
    Hochachtungsvoll
    Es sah so aus, als würde diese Antwort den deutschen Wissenschaftlern den Weg versperren, aber schließlich kam es anders. Letztendlich wurden nicht nur, wie von Einstein vorgeschlagen, vierzig Wissenschaftler in der Türkei aufgenommen, sondern einhundertneunzig, und zwar nicht nur aus Deutschland, sondern nach dem Anschluss auch aus Österreich und nach dem Einmarsch deutscher Truppen auch aus Prag. Ein Mann wie derZahnarzt Alfred Kantorowicz, der bereits neun Monate in einem Konzentrationslager verbracht hatte, konnte so etwa nach Istanbul ausreisen und mit seiner Familie ein neues Leben beginnen.
    Was hatte dazu geführt, dass die Wissenschaftler trotz der Ablehnung des Ministerpräsidenten und des Ministerrats in die Türkei kommen konnten? Manche Quellen sahen als treibende Kraft den Staatspräsidenten Kemal Atatürk, der sein Land rapide modernisieren wollte.
    Jedenfalls hatte er die erste Gruppe eingetroffener Wissenschaftler zu einem Bankett im Dolmabahçe-Palast geladen, das zu Ehren des auf Staatsbesuch weilenden Schahs von Persien gegeben wurde. Er

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