Serum
weggespült worden waren. Und eine Menge Zeugen würden aussagen, dass ich auf der Suche nach Asa gewesen war.
Außerdem hatte ich fälschlich behauptet, für Lenox zu arbeiten. Dem Barkeeper gegenüber hatte ich mich sogar als Asas Freund ausgegeben.
Und was sprach für mich? Ich hatte nur einen Namen zu bieten – Royce – und die hanebüchene Geschichte von einem Mann, der im Schlauchboot davonfuhr.
Ich griff zum Telefon und tippte die 9.
Du kannst sie überzeugen. Steh es durch. Wenn du jetzt wegläufst, bist du der Hauptverdächtige.
Ich wählte eine 1, dann noch eine.
Wenn dich auch nur ein einziger Mensch hinter Asa herrennen gesehen hat, wird er sich melden …
Eine Sirene wurde laut.
Ich ergriff die Flucht.
Ich weiß nicht, wie oft ich in all den Jahren beim FBI einem Verdächtigen geraten hatte, mir zu vertrauen. Mike Acela, der menschliche Lügendetektor. Im Grunde funktioniert das System in 99 von 100 Fällen.
»Vertrauen ist Ihr bester Schutz«, versicherte ich ihnen, wenn sie unsicher waren, ob sie reden sollten oder nicht. Ich glaubte an meine eigenen Worte. Sie klangen so aufrichtig, dass es mir oft gelang, Verdächtige zur Kooperation zu überreden.
Wenn man selbst auf der Flucht ist, sieht man die Dinge eben ein wenig anders. Der Regen strömte wie ein Wasserfall vom Himmel. Die Kais waren menschenleer. Ich machte mich auf den Rückweg zum Wagen. Es konnte nur ein paar Minuten dauern, bis es von Polizei nur so wimmelte. Ich verfluchte mich, dass ich an einer Parkuhr direkt vor der Bar stand, wo man Asa zuletzt lebend gesehen hatte. Auf dem Beifahrersitz lag sogar noch ein Stück Papier, auf das ich mit dickem Markerstift Asas Adresse und den Namen des Blue Conch gekritzelt hatte. Wenn ich den Wagen nicht bis zum Morgen da wegkriegte, würden sich die Strafzettel ansammeln. Ein cleverer Cop musste sich fragen, warum den Wagen niemand abholte. Er würde ihn zu Barney zurückverfolgen und von ihm erfahren, dass ich mich seltsam verhalten hatte, geheimniskrämerisch.
Eine Freundschaft zwischen Ex-FBI-Agenten endet da, wo der Mordverdacht anfängt.
Ich hörte eine weitere Sirene, die sich aus einer anderen Richtung näherte, und versuchte, mir den Plan von Key West vorzustellen. Die Insel maß zehn Kilometer im Durchmesser, und das Turtle Kraals lag ganz im Norden. Die Ostspitze mündete in eine schmale Brücke zum Festland. Als Touristenort kann sich Key West eine überdurchschnittlich große und bestens ausgerüstete Polizeitruppe leisten. Nachts sind Streifen wegen der betrunkenen Touristen sowieso in großer Anzahl unterwegs. Man braucht sie nicht erst zu mobilisieren.
Die Zentrale würde anhand der Angaben des Pärchens im Boot meine Beschreibung durchgeben.
Verdächtiger ist einen Meter fünfundachtzig groß, dunkelhaarig, Vollbart. Er trägt ein weißes, kurzärmliges Hemd und Khakihosen, beides blutbeschmiert.
Nicht zu übersehen.
Wasch das Blut ab, sagte ich mir. Versteck dich. Nein, hol den Wagen, solange du noch kannst, bei dem Sturm ist sowieso niemand auf der Straße. Verlass die Insel, bevor sie die Brücke sperren.
Wie weit war ich eigentlich vom Wagen entfernt? Wie lange war ich dem Wissenschaftler von der Bar aus nachgerannt?
Meine Schritte klangen mir überlaut in den Ohren, während ich in dem Labyrinth der kleinen Läden am Ufer herumirrte und mich zu orientieren versuchte. Ich hatte nicht auf den Weg geachtet, während ich Asa verfolgte.
Beinahe wäre ich über einen Fahrradständer gestolpert. War ich vorhin daran vorbeigekommen? Ich konnte mich nicht an die kleine Tätowierstube erinnern oder die »Kapelle am Meer« oder an das Schaufenster, aus dem mich eine Puppe mit Neoprenanzug und Taucherbrille anstarrte. Im Aufflackern eines Blitzes sah ich – an meinem Spiegelbild –, wie sehr ich mit Blut besudelt war.
So kann ich nicht zum Auto zurück.
Ich wirbelte herum und fand endlich den Bohlensteg wieder. Die Sirenen klangen jetzt näher, während ich mir die Schuhe auszog und sie fest unter den Hosenbund steckte.
Ich konnte Scheinwerfer sehen und rote Funkellichter.
Also sprang ich ins Meer.
Das Wasser war tief. Ich bin ein ganz guter Schwimmer, nicht elegant, aber ausdauernd. Ich blickte zurück und schwamm an den Kais entlang nach draußen. Im Regen wirkte das Ufer weiter entfernt, als es war, aber an den Lichtern konnte ich mich ganz gut orientieren. Die Polizei konnte mich nicht hören. Dazu waren die Umgebungsgeräusche zu laut. Aber ich hörte
Weitere Kostenlose Bücher