Serum
Kanalisation und unauslöschlichem Schweiß. Doch es fehlten manche Geräusche, an die ich mich von früheren Verhören in Gefängnissen erinnerte. Es gab nicht diese Kakophonie aus Schreien und Flüchen, keine plärrende Musik, keinen dauernden Geräuschteppich aus Streitereien, Geflüster, Gebeten, Drohungen, Verdauungsgeräuschen, tropfenden Wasserhähnen und anderem klaustrophobischem Irrsinn.
»Dies ist kein gewöhnliches Gefängnis«, meinte Corby. »Das hier ist mein Boot. Dein neues Zuhause. Ich bin Charon. Der Fährmann. Der alte Grieche, der die frisch Gestorbenen über den Fluss Styx in die Ewigkeit verfrachtet, Mike. In die Hölle.«
Sie nahmen mir die Augenbinde ab und ließen mich in einem langen, leeren Raum duschen. Bis auf den dünnen Mann, der mich im Auge behielt, war ich allein.
Das nächste Mal, als sie mir die Augenbinde abnahmen, befand ich mich in einer fensterlosen Zelle. Die Tür bestand aus schwarzem Stahl, und der Raum maß nicht mehr als etwa drei Meter im Quadrat. Die Wände waren aus Schlackestein, in die Tür war ein mit einer Stahlplatte verschlossenes Guckloch eingelassen, das sich nur von außen öffnen ließ. Auf dem quietschenden Bett lagen frische Laken und eine dünne graue Wolldecke. Die offene Edelstahl-Toilettenschüssel glänzte, aber auf dem Boden unter dem Spülbehälter lagen kleine Kotkügelchen, also gab es wahrscheinlich Ratten.
Ich hasse Ratten.
Am Fuß der Tür sah ich einen breiten Schlitz für Essenstabletts.
Wo zum Teufel hin ich hier? Was immer sie von dir wollen, kämpfe.
Sie hatten mir Gürtel und Schnürsenkel abgenommen und eine leichte graue Schlafanzughose mit elastischem Bund und ein entsprechendes Oberteil mit Knöpfen gegeben. Dazu Frotteeslipper, die mir zu groß waren, so dass ich nur mit angezogenen Zehen laufen konnte. Die Verletzung an meiner Schulter blutete, und der Stoff klebte daran fest. Es gab keinen Stuhl, keinen Fernseher. Keine Bücher oder Regale. Natürlich auch keinen Spiegel, den man zerbrechen oder der einem Gesellschaft leisten konnte. Die einzige, gleißend helle Glühbirne war einen Meter tief – außer Reichweite – in einem Schacht in der Decke eingelassen.
Es war so feucht, dass der Pyjama ganz klamm wurde. In den Vertiefungen der Schlackesteine sammelte sich Kondenswasser und rann an den Wänden herunter. Ein kalkiger, salziger Geruch bestärkte mich in der Annahme, dass die Basis am Meer lag. Es kam mir vor, als wären wir stundenlang unterwegs gewesen. Florida? Kuba? Der einzige Anhaltspunkt war die tropische Hitze.
Nach einer Weile glitt der Schlitz in der Tür auf, und ein Metalltablett mit klumpigem Essen wurde durchgeschoben. Ich zwang mich, den Plastiklöffel zu nehmen und das geschmacklose Chili hinunterzuwürgen.
Ich fragte mich, ob Schwadron so sadistisch gewesen war, mir dieses spezielle Gericht zukommen zu lassen.
Als ich halb aufgegessen hatte, erlosch das Licht.
Im Finstern tastete ich nach dem Bett. In den Wänden wurde schrilles Quieken laut. Ich hörte Getrappel und schlürfende Geräusche von der Toilette; dann ein Platschen; schmatzende Laute aus der Richtung des Tabletts am Fußboden.
Schlaf jetzt.
Ich schloss die Augen.
Das Licht ging an. Ich sah eine Ratte – braun, dicht behaart und riesig – auf mich zulaufen. Ihr rosa Schwanz verschwand unter dem Bett. Vermutlich war dort ein Loch in der Wand.
Ich setzte mich aufs Bett und versuchte, meine Gedanken zu ordnen.
Das Licht ging wieder aus, und ich fühlte mich desorientiert. Ein lautes, dumpfes Summen klang in meinen Ohren.
Haben sie mir Drogen verabreicht?
Das Licht ging an. Diesmal war es nur ein paar Minuten aus gewesen. Höchstens fünf.
Ich wette, morgen kommt Eisner.
Auf dem Korridor hörte ich gedämpfte Geräusche, ich tastete mich zur Tür und presste mein Ohr dagegen. Hunde bellten, und ein Mann schrie. Dann erkannte ich aus einer anderen Richtung die langgezogenen, hohen Töne, wie sie die Imame nachts von allen Minaretten der Welt singen. Ein muslimisches Gebet.
Bin ich in einem Gefängnis für Terrorverdächtige?
Ich hämmerte gegen die Tür und schrie. Warum nicht? Vielleicht waren meine Freunde auch hier. »Hoot«, rief ich. »Gabrielle? Hier ist Mike! Danny?«
Vielleicht konnte man mich von außen nicht hören.
Das Licht ging wieder aus, während eine Welle von Schwindelgefühl mich taumeln ließ. Meine Kehle war wie ausgedörrt, meine Nase ausgetrocknet.
»Danny!«
Im Dunkeln verfehlte ich auf dem Rückweg
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