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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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faulenzen und nachts die tollsten
Orgien feiern! Aber bisher zitterte Maggie noch immer vor dem Gedanken, es
würde ihr vielleicht nicht gelingen, die Kinder unterzubringen, und sie müsse
zu Hause bleiben.
    Uns hatte der Himmel Sumie geschickt,
die kleine Japanerin, die nach der Schule zu uns kam und alles besser konnte
als ich. Ich war der Meinung, ihre Tüchtigkeit, ihr Charme und ihr
erstaunlicher Einfluß auf die Kinder seien darauf zurückzuführen, daß sie eine
Nisei war, das heißt, daß ihre Eltern schon in Amerika geboren waren. Jim
stellte die richtige Diagnose: die vortreffliche häusliche Erziehung, die bei
den Japanern üblich ist, dazu ein kluges Köpfchen und eine großartige
Gesundheit.
    Ich rief Jim so oft in der Praxis an,
daß Jean mir vorzuschwindeln begann, es sei gerade ein Patient bei ihm, und ob
sie ihm nicht etwas ausrichten könne...
    Zu guter Letzt ging ich daran,
herauszufinden, was das eigentlich für ein Kongreß sei, an dem wir für unser
Leben gern teilnehmen wollten. Die Auskünfte lauteten ungefähr folgendermaßen:
Es handelt sich um eine enorme Veranstaltung. In ganz Amerika gibt es nur fünf
oder sechs Städte, die über genügend Hotelzimmer verfügen, um die Teilnehmer
unterzubringen. Fünfzehn- bis zwanzigtausend Ärzte. Ein Kongreß des
amerikanischen Ärzteverbandes ist wie ein Zirkus mit zwanzig Arenen, es finden
bis zu dreißig wichtige Vorträge gleichzeitig statt.
    Die wissenschaftlichen
Ausstellungsobjekte, die den Fortschritt auf den verschiedenen Gebieten der
Heilkunde illustrieren, füllen die eine Hälfte einer riesenhaften Halle aus.
Die andere Hälfte ist den Mustern gewidmet, die von den Arzneimittelfirmen, den
medizinischen Verlagen und den Lebensmittelfabriken geliefert werden. Jim
meinte, diese Ausstellung würde mir bestimmt Spaß machen — sie würde mich an
die gute alte Zeit der Werbebranche erinnern.
    Kein Arzt kann mehr als die wenigen
Tagungen bewältigen, die sich auf sein Spezialgebiet beziehen. Wer es sich
einigermaßen leisten kann, fährt hin, aber sie können nicht jedes Jahr
vollzählig zugegen sein, weil eine gewisse Anzahl zu Hause bleiben muß, um die
Kranken zu betreuen. Wird man aufgefordert, einen Vortrag zu halten, ist das
eine besondere Ehre und zugleich eine schreckliche Arbeit. Die Tagung erfüllt
zwei Zwecke, die beide sehr wertvoll sind. Der einzelne Arzt lernt die neuesten
Behandlungsmethoden, die neuesten Apparaturen und technischen Kniffe kennen und
hat Gelegenheit, die bedeutendsten Männer auf seinem Gebiet zu sehen und zu
hören. Und dann kehrt er mit frischem Interesse in seine Praxis zurück und hat
gleichzeitig das Gefühl, er sei — obwohl er nicht die Möglichkeit gehabt hat,
so viel zu studieren, wie er gerne studiert hätte ~ doch nicht ganz so weit
zurück, wie er befürchtete.
    Eine der Frauen sagte, sie sei froh,
daß sie nach St. Louis mitgefahren war; damals sei ihre Mutter schwer krank
gewesen, und die Zeit sei ihr schnell vergangen. Eine andere erklärte, sie habe
sich in Chicago ganz wunderbar unterhalten, ein alter Verehrer und seine Frau
hätten sich reizend ihrer angenommen; ihren Mann hätte sie erst eine Stunde vor
Abgang des Zuges getroffen. Die älteren und erfahreneren Ehefrauen kamen alle
mit dem gleichen Rezept. Wenn wir unter der Zwangsvorstellung litten, unsere
lieben Männer begleiten zu müssen, sollten wir uns an das Frauenkomitee halten,
das Ausflüge und Rundfahrten organisiert. Das Programm sei recht anstrengend,
aber man lerne die Stadt kennen, und jede noch so große Anstrengung sei besser,
als in einem Hotel herumzuhocken und auf den Mann zu warten, der sich ja doch
nicht blicken läßt.
    Inzwischen hatte ich mich so sehr für
einen Traum von einer zweiten Hochzeitsreise begeistert, daß ich Maggie San
Francisco in den glühendsten Farben zu schildern begann. Etwa zwei Jahre vor
meiner Heirat hatte ich zwei hektische Wochen lang an einer Reklametagung
teilgenommen, und ich erinnerte mich lebhaft an die Stadt — eine Stadt so
bezaubernd wie eine raffinierte Frau. Ich erinnerte mich an das große, bequeme
Hotelzimmer und an den herzlichen Empfang — man hatte mir einen riesigen Strauß
Rosen überreicht — , an die Aussicht aus meinem Fenster auf die umschleierten
Lichter und die sanften Farben der in abendliche Dünste gehüllten Bucht — an
intime, kleine Restaurants, die wunderbares Essen servieren — an senkrecht
emporsteigende Hänge und an die Drahtseil-Straßenbahn voller

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