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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Land richtig
zu Hause, aber eine Brücke zwischen beiden — nicht nur, was die Sprache,
sondern auch, was die Sitten betrifft. Ihre Aufgabe ist es, der Familie den
Herrn Doktor — den Repräsentanten ihrer englischsprechenden stockamerikanischen
Umwelt — begreiflich zu machen. Ebenso, müssen sie dann bei Gelegenheit dem
Herrn Doktor die Sitten und Traditionen ihres Familienlebens erklären.
    Schwatzend und lachend zog der Junge
Jim mit sich fort. Überall schufen bunte Farben ein heiter bewegtes Bild. Auf
dem grünen Gras am blauen Wasser standen im Kreis halbwüchsige Mädchen und
sangen zur schwungvollen Begleitung einer tüchtigen Ziehharmonikakapelle.
Hinter den Mädchen die Burschen; die riesigen schwarzen Augen und die schimmernden
Zähne in den dunklen, lebhaften Gesichtern hoben sich von den weißen Hemden ab.
Jeder Junge hatte eine Hand auf der Schulter des vor ihm stehenden Mädchens
liegen. Lachende Väter in Hemdsärmeln, lange rote Streifen Eintrittskarten
schwenkend, standen umringt von lachenden, frohen Kindern an den Buden und
warteten, bis die Reihe an sie käme, mit Pfeilen zu schießen oder Tombola zu
spielen.
    Tony, der Ballonverkäufer, der für
gewöhnlich seinen Standplatz am Eingang zu den Markthallen hat, wußte sich vor
Freude nicht zu lassen. »Heute gratis Ballon — wer will gratis Ballon?« Die
Drei- bis Fünfjährigen standen wie verzaubert um Tony herum und verfolgten mit
weitaufgerissenen, erstaunten Augen den Aufstieg so manchen bunten Luftballons.
    »Schau mal, Mary!« sagte Jim lächelnd.
    Guido nahm drei Bälle, warf sie mit
sicherer und geschickter Hand, traf drei Donald Ducks auf einem Fließband und
heimste wieder einen Preis ein. Er legte ihn sorgfältig auf den wachsenden
Haufen von Pfeifchen, Spazierstöcken, Glaskrügen und Aschenbechern und blickte
zu Jim auf. »Herr Doktor, jetzt werde ich versuchen, den ersten Preis zu
erwischen — einen echten Baseballhandschuh!«
    Jim kniff die Augen zusammen und sagte:
»Ich glaube, du wirst es schaffen. Vergiß nicht, vorzuhalten!« Mit einem fast
zärtlichen Ausdruck blickte er in Guidos ernstes Gesichtchen.
    Guido holte aus, warf den Ball, traf
die vorübergleitende schneeweiße Ente mitten auf den Bauch und ließ sich von
dem weinerlichen Budenbesitzer den Baseballhandschuh aushändigen. Jim klopfte
Guido stolz auf die Schulter, warf fünf Dollar auf den Budentisch, und wir
spazierten weiter.
    Mamma Fia nahm den Ehrenplatz ein —
einen großen Schaukelstuhl in der Nähe des offenen Kochzeltes. Sie fuchtelte
mit den Armen und erteilte in aufgeregtem Italienisch kategorische Befehle,
aber als sie uns sah, unterbrach sie sich lange genug, um uns feierlich zu
begrüßen. Sie zeigte nacheinander auf die mit riesigen Töpfen beladenen Herde,
von denen köstliche Düfte auf stiegen, und sagte: »Massenhaft für den Herrn
Doktor — Fiesta!« Und strahlte übers ganze Gesicht.
    Jim und Guido wanderten weiter, und ich
blieb bei den schwatzlustigen und lebhaft gestikulierenden Müttern zurück. Auf
Mamma Fias gebieterischen Wink und scharfen Zuruf — »Rosa!« — nahm eine der
Mütter, die im Halsausschnitt ihres knappsitzenden schwarzen Seidenkleides
kokett eine vollerblühte rote Rose stecken hatte, mir zuliebe den Deckel von
einem der Töpfe. »Tortino die pomodori — Tomaten mit Ei.« Sie lachte munter.
»Sie kochen das für den Herrn Doktor?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich
kenne das Rezept nicht.«
    Ein fünfzehnjähriges Mädchen, das eine
Tomatensauce umrührte, blickte auf und sagte: »Ich werde es Ihnen aufschreiben.
Meine Mutter macht es oft.«
    Ich bedankte mich und spazierte zu dem
nächsten Kessel weiter. Eine Mutter in knisternder, dunkelblauer Seide, um den
Hals einen leuchtend rosa Schal, der an der Brust mit einer ausgesucht schönen
Gemme befestigt war, sagte: »Asparagi alla fiorentina.« Das diensteifrige
Mädchen fragte sie auf italienisch und schrieb die Zutaten auf.
    Jeder neue Geruch und Geschmack wurde
verlockender als der vorige, während man mich von den Speisen kosten ließ. Die
Rezepte, sagte eine schöne blonde Mutter, stammten aus verschiedenen Gegenden
Italiens, und jede einzelne sei bestrebt, alle übrigen zu übertrumpfen.
    Die langen Tische waren mit
rot-weiß-karierten Tüchern bedeckt. In bestimmten Abständen standen Vasen mit
Feldblumen, Weinflaschen und Körbe mit langen Broten. Das kleine Mädchen
berührte schüchtern meinen Arm. »Ich lerne in der Schule maschineschreiben —
ich

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